10. Mai 2024
Dieter Barth ist Leiter Berufliche Bildung bei der Heidelberg Manufacturing Deutschland GmbH. Im Interview verrät er uns, worauf es ihm in der Ausbildung ankommt und was die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung der Ausbildung sind.
Gibt es ein digitales Tool, ohne dass Sie persönlich nicht mehr auskommen?
Ja, definitiv alle mobilen Endgeräte. Die Pandemie hat die digitale Nutzung forciert. Sei es Daten in der Cloud oder kollaboratives Arbeiten – das ist großartig, was damit möglich ist. Auch KI-Tools sind zur Ideenfindung oder einfach nur zum Testen interessant.
Wenn ich das Unternehmen anschaue, ist der Standort Amstetten der Heidelberg Manufacturing schon seit vielen Jahren sehr digital. In den letzten Jahren sind auch in der Ausbildung immer mehr digitale Tools hinzugekommen.
Was macht die Ausbildung in Ihrem Unternehmen besonders?
Bei Heidelberg hat die Ausbildung traditionell einen hohen Stellenwert. Bewerberinnen und Bewerbern zeigen wir, dass sie bei uns in der „oberen Liga“ mitspielen können und gute Karrierechancen haben. Vor mehr als 10 Jahren haben wir ein Leitbild entwickelt, um das Miteinander im Unternehmen zu definieren. Anfangs fiel uns das nicht leicht, alles in Worte zu fassen. Aber am Ende haben wir es geschafft, die Leitlinien kompakt auf eine Seite zu formulieren unter der Überschrift „Ihr Erfolg ist unser Antrieb“. Mit „Ihr Erfolg“ möchten wir alle Absolventinnen und Absolventen und die Fachkräfte im Unternehmen ansprechen. Wenn alle Erfolg haben und zusammenarbeiten, dann ist das unsere Motivation.
Das Leitbild haben wir später ergänzt um die wesentlichen Grundhaltungen, die für die berufliche Zukunft wichtig sind.
Offen und neugierig. Es verändert sich so viel in der Welt. Wenn man da nicht offen für Neues ist und die Schotten dicht macht, dann ist man natürlich abgehängt.
Verantwortlich. Das meint nicht nur Verantwortung im Sinne von Arbeitssicherheit und Produktqualität, sondern auch im Umgang mit Daten, Internetsicherheit und betrieblichen Geheimnissen.
Kooperativ, lernwillig. Dies korrespondiert wieder mit offen und neugierig und sich auch einzulassen, wirklich verstehen wollen.
Mutig. Im Sinne von positiv anpacken und sich nicht beeindrucken lassen.
Mit diesen Grundhaltungen möchten wir Azubis und Studierenden immer wieder Rückmeldung geben und uns selbst prüfen, ob wir zukunftsorientiert unterwegs sind. Azubis haben bei uns ein großes Mitspracherecht. Ihre Impulse und Anregungen sind uns wichtig, um die Ausbildung zu gestalten.
Wie viele Auszubildende sind denn bei Ihnen im Unternehmen beschäftigt?
Aktuell bilden wir deutschlandweit weit über 300 junge Menschen aus. Wir sind an allen Standorten mit eigenen Werkstätten, Maschinen und Anlagen ausgerüstet und stellen die notwendigen Lernmaterialien zur Verfügung.
Welche Vorteile haben Auszubildende durch eine Ausbildung in Ihrem Unternehmen?
Wie bereits erwähnt, können Auszubildende bei Heidelberg mitgestalten. Das versuchen wir bereits über die Berufsorientierung an Schulen zu vermitteln. Wir begleiten Jugendliche sehr früh, bieten Berufsorientierungspraktika an und bleiben mit ihnen bis zum Beginn der Ausbildung in Kontakt.
Lernbegleitung ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Azubis können sich in vielfältigen Projekten einbringen, zum Beispiel in der Social-Media-Kommunikation. Wir möchten Talente fördern, ihnen ein Forum bieten und vermitteln, worauf es bei der Arbeit im Betrieb ankommt – angefangen vom grundlegenden Lernen in der Ausbildungswerkstatt über Einsätze in den Fachbereichen bis hin zu Begleitung durch erfahrene Fach- und Führungskräfte.
Was erwarten Sie denn von Ihren Ausbilder:innen?
Ausbilderinnen und Ausbilder sollten Wissen individuell vermitteln und Orientierung geben. Vermitteln heißt aber nicht nur lehren, sondern den Lernprozess aktiv gestalten, den Auszubildenden beim Lernen begleiten und auch Grenzen aufzeigen.
Die Arbeitswelt verändert sich schneller als früher. Führungskräfte müssen junge Menschen mitnehmen, auf deren Bedürfnisse eingehen und Begeisterung wecken. Und natürlich selbst am Puls der Zeit bleiben. Das ist eine Herausforderung.
Inwieweit treiben Ausbilder:innen die Digitalisierung im Unternehmen voran?
Ja, sie arbeiten sich schnell in neue Felder ein und sie sind neugierig. Zum Beispiel beim Einsatz von Simulationsprogrammen für SPS oder CNC/CAM usw. Und auch an ganz vielen anderen Stellen wie 3D Druck oder Robotik.
Seit einiger Zeit nutzen die Azubis Tablets. Die Ausbilder:innen unterstützen sie beim effizienten Umgang damit und sie tauschen sich gleichzeitig mit den Azubis zu ihren Erfahrungen aus. Dazu gehören auch Themen wie Internetsicherheit und das Verifizieren von Quellen. Was ist Fakt, was ist Fake. Das heißt Azubis und Ausbilder:innen lernen mit- und voneinander und schaffen Möglichkeitsräume.
Welche digitalen Tools sind in Ihrer Ausbildung unverzichtbar?
Die kollaborative Zusammenarbeit und das gemeinsame Lernen sind ein großer Vorteil. Ohne MS 365, ein Lernmanagementsystem, Simulationen, digitales Berichtsheft oder die CAD-CAM-Software wäre Vieles deutlich schwieriger. Besonders während der Pandemie hat uns das sehr geholfen, weiterhin gut zusammenzuarbeiten. Aber auch agile Tools wie Kanban Boards nutzen wir regelmäßig für die Projektarbeit. Die Ideen für die Projekte kommen zum Teil von den Azubis bzw. Student:innen.
Was sind so die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung der Ausbildung?
Über digitale Tools ist Wissen ständig verfügbar. Das vermittelt Azubis das Gefühl, Wissen lässt sich jederzeit nachschlagen und „ich muss es mir nicht merken.“ Das empfinde ich als die größte Herausforderung. Wie kann man als Ausbilder:in seinen Azubis berufliches Grundwissen vermitteln, das auch im Kopf bleibt. Wie schafft man das? Ohne fundiertes berufliches Grundwissen kann man nicht zielführend recherchieren, weil man die Quellen nicht ausreichend beurteilen kann.
Beruf heißt, ein Profi zu sein. Als Profi kann ich bewerten, welche Informationen im Netz wichtig und richtig sind und welche nicht. Ich muss Wissen und Quellen einordnen können und wissen, was hinter Fachbegriffen steckt.
Digitale Tools und Medien dominieren unseren Alltag. Wir kommen nicht mehr ohne sie aus. Offenheit, Neugier und Lernbereitschaft sind wichtig, um neue Tools und Updates einordnen zu können.
In welchen Bereichen wünschen Sie sich mehr Kompetenzen?
Zuerst vielleicht zu den Kompetenzen der Schulabgänger: Ja, ich wünsche mir bei den Berufsstartern mehr Leseverständnis und Rechenkompetenzen, mehr mathematisch- naturwissenschaftliche- und sprachliche Kompetenzen.
Ausbilderinnen und Ausbilder benötigen immer mehr Kompetenzen als Lernbegleiter, um auf die individuellen Bedürfnisse der Azubis eingehen zu können. Wichtig sind zudem Impulse und Ideen von außen und Zuversicht auszustrahlen. Ausbilderinnen und Ausbilder sind Führungskräfte.
Welche Themen sind für Ihre Ausbildung interessant?
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Ausbildung ist ein wichtiges Thema. Die fachliche Weiterentwicklung ist selbstverständlich, zum Beispiel in der Mechatronik oder Elektronik. Die berufliche Neugier bringt einen dazu, Dinge immer wieder auszuprobieren. Auch Azubis und Studierende können als erste ausprobieren und ihre Erfahrungen teilen. So können alle von- und miteinander lernen.
Was wünschen Sie sich für die Berufsausbildung in Deutschland?
Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft würdigt, wie herausragend die berufliche Bildung Theorie und Praxis miteinander verbindet. Diese Art des Lernens passt am besten zu uns Menschen. So entsteht Handlungskompetenz, nicht ohne Grund haben die dualen Studiengänge auch deshalb einen hohen Stellenwert.
Ein wichtiger Aspekt ist auch mentale Gesundheit in Zeiten der Digitalisierung. Man muss wissen, wie man digitale Tools benutzt, ohne davon abhängig zu werden.
Wie lange sind Sie schon im Unternehmen für die berufliche Bildung zuständig?
Ich bin seit über 20 Jahren im Unternehmen tätig und habe die digitale Transformation der Ausbildung miterlebt.
Unternehmensprofil
Die Heidelberger Druckmaschinen Aktiengesellschaft ist nach eigenen Angaben ein innovatives Technologieunternehmen mit führender Position in der globalen Druckindustrie. Seit mehr als 170 Jahren steht es als zuverlässiger Partner mit hoher Innovationskraft für Qualität und Zukunftsfähigkeit zur Verfügung.
HEIDELBERG ist mit einem Marktanteil von über 40 Prozent der führende Anbieter für Bogenoffsetmaschinen, eine Technologie, die bei der Produktion qualitativ hochwertiger hochvolumiger Druckprodukte zum Einsatz kommt. Daneben hat das Unternehmen auch seine Position im Flexodruck für den Verpackungsmarkt sowie im digitalen Etikettendruck in den vergangenen Jahren ausgebaut.
Weiterführende Links:
Q 4.0 Trainings:
Lernbegleitung im digitalen Wandel
Additive Fertigung in der Ausbildung
Digitale Kommunikation im Ausbildungsalltag