28. August 2023

Untersuchungen zum Thema „Wie stellen wir den Lernerfolg von Schüler:innen sicher?“ gibt es viele, doch diese ist besonders. Sie bündelt die Ergebnisse von insgesamt 130.000 Studien an denen mehr als 400 Millionen Menschen teilgenommen haben. Der neuseeländische Pädagogikprofessor John Hattie konnte innerhalb der Studie eindeutige Faktoren identifizieren, die junge Menschen beim Lernen unterstützen - Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle.   

Den Überblick behalten im Datendschungel

So interessant pädagogische Forschung ist, so frustrierend kann sie mitunter für die geneigten Leser:innen sein. Denn die Ergebnisse unterscheiden sich häufig je nachdem, wer da genau untersucht wurde. Junge Schüler:innen verhalten sich zum Beispiel manchmal anders als ältere Schüler:innen, Schüler:innen in Griechenland mitunter anders als Schüler:innen in Singapur.

Diese spezifische Forschung ist auch wichtig, denn nur so können die Bedürfnisse einzelner Zielgruppen richtig erkannt werden. Gibt es Faktoren, die auch unabhängig von diesen spezifischen Bedürfnissen gelten – und somit Schüler:innen generell beim Lernen helfen können? 

Genau für diesen Zweck werden sogenannte Meta-Analysen erstellt: Diese betrachten alle verfügbaren Studien zu einem Themenfeld und verknüpfen die einzelnen Ergebnisse zu einem Gesamtbild. Dabei verwenden Meta-Analysen einen gemeinsamen Maßstab: Die sogenannte Effektstärke.

Vereinfacht gesagt, gibt diese an, wie sich zwei Schüler:innengruppen bei einem Merkmal unterscheiden. Um beim Beispiel Lernerfolg zu bleiben, gibt hier die Effektstärke an, wie groß die Unterschiede sind, wenn ich eine Gruppe von Schüler:innen so behandle (z.B. vor dem Unterricht zusätzliche Videos zur Vorbereitung anbiete) und die andere Gruppe von Schüler:innen nicht so behandle (z.B. keine zusätzlichen Videos anbiete).  

Der australische Forscher John Hattie hat eine große Zahl dieser Meta-Analysen aus der ganzen Welt betrachtet: Dabei kamen viele Ergebnisse heraus, die auch Ausbilder:innen interessieren könnten.  

Die Lehrperson in modernen Zeiten

Mit dem richtigen Verhalten können Lehrpersonen Schüler:innen in ihrem Lernerfolg unterstützen. Ein zentrales Merkmal ist dabei die Glaubwürdigkeit der Lehrperson. Schüler:innen müssen überzeugt sein, dass sie von einer Lehrperson etwas lernen können und dass diese sie dabei auch aktiv unterstützen möchte. Das kennen wahrscheinlich auch die meisten Ausbilder:innen nur zu gut.  

Eine klare und für Schüler:innen verständliche Sprache kann sich ebenfalls als sehr hilfreich erweisen. Und zwar nicht nur bei der Darlegung von Inhalten oder dem Gespräch darüber, sondern auch beim Vorstellen von Abläufen und der Begründung von Zielen. Auch das findet sich in der Ausbildung häufig wieder, z.B. bei der Erklärung von Arbeitsaufträgen. 

Erfolgreiche Lehrpersonen sind dabei heute keine Einzelkämpfer:innen mehr. Sie bauen auf die sogenannte „kollektive Wirksamkeit“, d.h. dass sie gemeinsam als Team den Unterschied beim Lernen machen. Das bedeutet nach Hattie nicht, dass sich Lehrpersonen mal eben zusammensetzen, um gemeinsam über ihre Erfahrungen mit einzelnen Schüler:innen oder dem Unterrichtsstoff zu sprechen.

Vielmehr sollte der Schwerpunkt von regelmäßigen Gesprächen darauf liegen, wie Lehrpersonen Schüler:innen in ihrem Lernfortschritt beeinflussen und welche weiteren Schritte sie gezielt gehen können, um diesen zu fördern. Solche Teamsitzungen an bestimmten Etappen in der Ausbildung, wie zum Beispiel dem Abschluss eines Zeitrahmens, könnten auch Ausbilder:innen helfen den Erfolg ihres Handels in Bezug auf den Lernfortschritt ihrer Azubis zu überprüfen.

Sehr wertvoll erweist sich zudem die Videoaufzeichnung und die Analyse von Unterrichtsstunden. Sich selbst vor der Kamera zu betrachten und zusammen mit Kolleg:innen im vertraulichen Rahmen darüber zu sprechen, kann einen schnell ins Grübeln bringen, was sich noch so verbessern lässt.  

Auch für Ausbilder:innen könnte das ein wertvoller Denkanstoß sein. Und es bieten sich viele Situationen an: Vom morgendlichen Treffen mit den Azubis bis zur Erklärung von einzelnen Arbeitsschritten.  

Auch zum Thema Diversität vermag Hattie einiges zu sagen: Mitunter ist es sehr leicht Menschen in Schubladen zu stecken. Das kann auch Lehrpersonen passieren. Und mit der jeweiligen Schublade ist dann häufig auch eine Abwertung verbunden, dass einzelne Schüler:innen weniger leisten könnten. Das ist menschlich, aber der falsche Weg. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Schüler:innen mehr lernen, wenn an alle die gleichen hohen Erwartungen gestellt werden. Ein persönliches Merkmal sollte keine Erklärung für eine schlechte Leistung sein, sondern vielmehr der Anstoß Menschen gezielt zu fördern. Und das ist ja auch in der Ausbildung dank zahlreicher Unterstützung wie der „assistieren Ausbildung“ möglich. 

Informationstechnologie im Unterricht – noch lange nicht ausgereizt

Der Einsatz von Informationstechnologie, wie z.B. Fernunterricht oder Videospielen, ist keine Wunderwaffe, um alle Probleme im Unterricht zu lösen. Langfristige Studien zeigen zwar, dass ein konstanter positiver Einfluss auf den Lernerfolg vorhanden ist. Aber es kommt stark darauf an, WIE Informationstechnologie eingesetzt wird, nämlich gezielt als Teil von Unterrichtsstrategien.

Und es benötigt die passenden Voraussetzungen, wie z.B. die Fähigkeit zur Selbstregulation der Schüler:innen oder die Bereitschaft in Gruppen ohne Anleitung der Lehrkraft zu arbeiten. Diese Fähigkeiten müssen gezielt gefördert werden. Diese Erfahrung können nach der Covid-19 Krise sicher auch viele Ausbilder:innen bestätigen.  

Obwohl Lehrpersonen selbst sehr aktiv Informationstechnologien nutzen, beschränkt sich diese Nutzung noch immer stark auf ihr Privatleben, zum Beispiel auf die Aktivität in sozialen Medien. Sowohl bei der Planung von Unterrichtsstunden als auch beim Einsatz im Unterricht spielen Informationstechnologien hingegen noch zu oft keine Rolle.

Bewährte Methoden werden von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Beispiele aus verschiedenen Ländern zeigen aber, wie die Qualifizierung von Lehrpersonen erfolgreich angepasst werden kann, um diese für das digitale Jetzt vorzubereiten. Es gilt: Mehr Digitalisierung im Unterricht kommt nicht aus dem Nichts, es braucht die passenden Aus- und Weiterbildungsangebote. Auch in der Ausbildung von Ausbilder:innen hat sich in den letzten Jahren viel verändert, zum Beispiel durch die baldige Anpassung der Ausbildereignungsverordnung.  

Mehr Forschung erscheint zudem notwendig, um zu überprüfen, wie Technologie schülerzentriertes Lernen unterstützen kann. Der Einsatz von Robotern oder Virtual-Reality Anwendungen im Unterricht könnten Schüler:innen in Zukunft die Chance ermöglichen selbstständiger zu lernen. Und Selbstständigkeit wird auch von Ausbilder:innen sehr geschätzt. Ein Grund mehr sich diese Methoden näher anzuschauen. 

Intelligente Lernsysteme bieten in vielen Bereichen bereits heute eine auf die Bedürfnisse des bzw. der Lernenden zugeschnittene Unterstützung und können insbesondere Schüler:innen mit Benachteiligung helfen. Durch Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz könnten hier noch bessere Angebote geschafften werden.  

Hattie schließt mit einer positiven Note, dass mit dem richtigen Einsatz Informationstechnologie Schüler:innen in Zukunft noch stärker als bisher helfen könnte.  

Klingt interessant, wo kann ich noch mehr erfahren?

Mir ist bewusst, dass Forschung das eine, der konkrete Einsatz im Unterricht und in der Ausbildung aber häufig das andere ist. Dennoch hoffe ich mit diesem Artikel einige Leser:innen neugierig auf den Stand der Unterrichtsforschung gemacht zu haben. Und so manches lässt sich auch als Ausbilder:in schnell und einfachumsetzen: Holen Sie sich z.B. Feedback über Ihre Arbeitsanweisungen im Ausbildungsalltag. Sind diese wirklich deutlich und klar? Und falls nein, wie könnten Sie diese verbessern?  

Wer mehr zum Ansatz von Professor John Hattie erfahren möchte, kann auf der Visible Learning Website zahlreiche Videos und Podcasts zum Thema auf Englisch anhören.  

Die kostenlose englischsprachige Datenbank des Visible Learning Projektes ist ein weiterer heißer Tipp zum Weiterstöbern. Stundenlang können Schatzsucher:innen in die Ergebnisse eintauchen, um zum Beispiel zu sehen, welchen Einfluss der Einsatz von Hintergrundmusik auf den Lernerfolg von Schüler:innen hat.  

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