15. Februar 2024

Mit diesem Blogartikel möchten wir Ihnen ein Modell zur Einordnung von Konflikten für ihr persönliches Konfliktmanagement an die Hand geben.  Wir stellen die neun Eskalationsstufen von Konflikten nach Glasl vor und zeigen auf, wann sie sich noch selbst helfen können, wann aber auch Hilfe von außen ratsam wäre. Viel Freude und (Konflikt)Lösungsideen beim Lesen. 

Konfliktsituationen im Alltag

Kennen Sie das auch? Es ist Montagmorgen, ein wichtiger Kundentermin steht an, Sie stehen in den Startlöchern, alles ist bereit. Nur einer fehlt noch, Ihr Azubi… 

Konfliktsituationen wie diese gehören zum Ausbildungsalltag wie das Berichtsheft oder die Prüfungsvorbereitung. Ob zu spät kommen, schlechte Leistungen in der Berufsschule, mangelnde Sorgfalt oder kommunikative Diskrepanzen – sicherlich fällt Ihnen direkt ein persönlicher Konflikt ein, den Sie mit Ihren Auszubildenen, mit Kolleg:innen oder in Ihrem Team, vielleicht aber auch im privaten Umfeld haben.

Konflikte haben an sich, dass sie sich oft wiederholen, verschärfen, offen oder unausgesprochen zuspitzen und drohen zu eskalieren. Da, wo unterschiedliche Individuen mit unterschiedlichen Einstellungen, Zielvorstellungen und Wahrnehmungen aufeinandertreffen, sind Konflikte leider vorprogrammiert… 

Das Konflikt-Eskalations-Modell nach Glasl

Auseinandersetzungen treten überall auf, wo Individuen zusammenleben, sich begegnen oder arbeiten. So unterschiedlich die Ursachen für Streitigkeiten sein können, so unterschiedlich sind auch deren Lösungen. In seinem Modell beschreibt der österreichische Ökonom und Konfliktforscher Friedrich Glasl (*1941 in Wien) insgesamt neun Entwicklungsstufen eines Konflikts. 

Die Stufen sind in drei Ebenen gegliedert, die jeweils drei Stufen umfassen. In der ersten Ebene wird das Stadium beschrieben, in dem sich Konflikte noch im Einvernehmen beider Parteien lösen lassen, bevor es zur Eskalation kommt. Die zweite Ebene beschreibt die Zuspitzung der Situation: Es entscheidet sich, welche Partei den Konflikt gewinnt. Ebene drei umfasst die Höchstform der Eskalation, eine eigenständige friedliche Lösung ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.  

Das Modell lässt sich auf eine Vielzahl von Fällen anwenden, sei es im privaten Bereich wie Streitigkeiten zwischen Eheleuten, im schulischen Kontext oder im Unternehmen.

Nutzen Sie das Modell im Folgenden, um den Verlauf Ihres Konflikts zu analysieren und die Lösungsfindung anzugehen. Wo befinden Sie sich? 

Win-win, alles noch selbst lösbar (Stufe 1-3)

In den ersten drei Stufen können Konflikte friedlich und im Einvernehmen beider Parteien gelöst werden, das Wohlergehen aller steht im Vordergrund. Die Konfliktparteien haben noch die Chance, den Konflikt sachlich gemeinsam zu besprechen und zusammen Lösungen zu finden. 

Stufe 1: Verhärtung 

Konflikte beginnen mit einer Verhärtung der Situation. Es kommt zu Spannungen und Meinungsverschiedenheiten, die anfangs von den Beteiligten oft nicht als solche wahrgenommen werden. Ein Beispiel hierfür wäre, dass ihr Azubi unterschiedliche Auffassungen als Sie darüber hat, welche Aufgaben von ihm übernommen und schnell erledigt werden sollten.  

In Stufe 2: Debatte 

Die Konfliktparteien versuchen einander zu überzeugen, wobei jede Partei von ihrer Meinung nicht abweicht. Es kommt zu schwarz-weiß Denken: Wenn mein Standpunkt richtig ist, dann ist der andere Standpunkt falsch. („Was denkst sich denn mein Azubi dabei?!“) 

In Stufe 3: Taten statt Worte 

Ist eine Überzeugung der anderen Partei nicht möglich, folgen Taten statt Worte. Frust und Misstrauen treten an die Stelle, wo einst Vertrauen war. Die Gegenpartei wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie haben es beispielsweise satt, dass Ihr Azubi schon wieder zu spät ist oder seine Aufgaben nicht erledigt hat? Dann fahren Sie eben alleine los oder kümmern sich wütend schnell selbst. Argumente und die Position des anderen werden auf dieser Stufe unwichtig.  

Win-lose, Hilfe von außen notwendig (Stufe 4-6)

Wenn die Gesprächsbereitschaft abnimmt und die Fronten sich verhärten, bleibt die Eskalation eines Konflikts oft unvermeidbar. Die Lage spitzt sich zu. Die Bemühungen konzentrieren sich von nun an auf den Sieg einer Partei. Ab Stufe 4 benötigen die Konfliktparteien Hilfe von außen, um ihren Konflikt zu lösen (z.B. Vermittler:innen, Mediation etc.) 

In Stufe 4: Images und Koalitionen 

Die Sorge um das eigene Image wird groß. Um den Konflikt zu gewinnen, werden Koalitionen mit Personen von außen gesucht. Die Konfliktparteien suchen Unterstützung, um den eigenen Standpunkt zu stärken. Findet Ihre Kollegin nicht z.B. auch, dass Ihr Azubi sich unmöglich verhält? 

In Stufe 5: Gesichtsverlust 

Ab der fünften Eskalationsstufe wird Moral so langsam egal, Vertrauen gibt es nicht mehr. Die Konfliktparteien versuchen Ihre Gegner bloßzustellen und für einen Gesichtsverlust zu sorgen. Es folgen oft unfaire Unterstellungen und persönliche Angriffe. Sie schwärzen Ihren Azubi beispielsweise beim Abteilungsleiter an. 

In Stufe 6: Drohstrategien 

Um die eigene Macht zu demonstrieren und die gegnerische Konfliktpartei zu denunzieren, folgen Drohungen. Kann der Konflikt also nicht mehr diplomatisch gelöst werden, wird zu anderen Mitteln gegriffen. Die Drohung einer Kündigung ist zum Beispiel leicht ausgesprochen… 

Lose-lose, gemeinsam in den Abgrund der Konflikt-Eskalation (Stufe 7-9)

Von nun an kann der Konflikt nur noch durch Intervention von Dritten oder einen Machteingriff von außen zu einer Lösung geführt werden. Der Konflikt ist zu stark eskaliert, als dass eine Lösung aus eigener Kraft möglich wäre.  

In Stufe 7: Begrenzte Vernichtung* 

Die Konfliktparteien beginnen, sich gegenseitig Schaden zuzufügen, wobei der eigene Schaden in Kauf genommen wird. Die Ursachen des Konflikts sind längst vergessen und der Konflikt gerät außer Kontrolle… 

*Zur Beruhigung: Im beruflichen Kontext wird diese Eskalationsstufe nur selten erreicht. Im Privatleben können Konflikte häufiger derart eskalieren… 

In Stufe 8: Zersplitterung 

Es geht jetzt darum, die gegnerische Konfliktpartei mit gezielten Schlägen buchstäblich zu vernichten. Es kommt zu physischer und psychischer Gewalt gegeneinander.  

In Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund 

Der Konflikt ist absolut eskaliert, eine Lösung ohne kompetente Hilfe von außen keineswegs mehr möglich. Das rationale Denken ist vollständig ausgeschaltet. Es geht nur noch darum, die andere Partei in den Abgrund zu reißen, auch wenn der eigene Schaden groß ist und es z.B. den eigenen Job kostet… 

Auf zur Konfliktlösung!

Wie Sie sehen: Es passiert ganz schön viel, bis ein Konflikt eskaliert. Haben Sie einordnen können, auf welcher Ebene der Konflikteskalation Sie sich gerade befinden? Gelingt es Ihnen, den Konflikt noch sachlich und auf Augenhöhe gemeinsam mit Ihrem Azubi zu lösen? Oder haben Sie gerade festgestellt, dass Ihr Konflikt schon ziemlich zugespitzt ist und Sie Unterstützung von außen benötigen? Scheuen Sie nicht davor zurück, die Angebote Ihres Unternehmens oder externe Unterstützung wie eine professionelle Prozessbegleitung oder Mediation in Anspruch zu nehmen.  

Im NETZWERK Q 4.0 bieten wir verschiedene Trainings aus dem Bereich der Selbst- und Sozialkompetenzen an, in denen Sie mit anderen Ausbilder:innen in den Austausch gehen und gemeinsam Lösungen für Ihren Praxistransfer diskutieren - wie in unserem Training „Smarter Umgang mit Konflikten“. Melden Sie sich noch heute an!  

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