21. November 2024

Die Suche nach Nachwuchstalenten wird für Unternehmen zunehmend zur Herausforderung. Doch was, wenn bisher übersehene Zielgruppen, wie Menschen mit Behinderung, im Fokus stehen? Mit Jobcarving können Stellenprofile individuell auf die Stärken und Kompetenzen einer Person zugeschnitten werden – ein Ansatz, der nicht nur Inklusion fördert, sondern auch neue Potenziale erschließt. Aber wie funktioniert das? Welche Fördermöglichkeiten gibt es für Unternehmen, und wo finden sie Unterstützung? Antworten auf diese Fragen sowie spannende Einblicke aus unserem Q 4.0 Talk „Mit Jobcarving nach der Ausbildung Stellenprofile neu denken und Inklusion fördern“ erwarten Sie in diesem Beitrag.

Jobcarving – Was verbirgt sich dahinter?

„Job-Carving“ kommt vom englischen Begriff „to carve“ und bedeutet wörtlich „eine Arbeitsstelle schnitzen“. Das bedeutet in der Praxis, dass Aufgaben innerhalb eines Unternehmens so organisiert werden, dass ein Arbeitsplatz entsteht, der genau auf die Fähigkeiten einer bestimmten Person abgestimmt ist. So kann beispielsweise ermöglicht werden, dass Menschen mit einer Behinderung, eine auf sie zugeschnittene Tätigkeit ausüben. Gleichzeitig können andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Teile ihrer Aufgaben abgeben und sich stärker auf ihre Kerntätigkeiten konzentrieren. 

Jobcarving fördert also die Integration von Menschen, für die der Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen eine Herausforderung darstellt. Jobcarving ist innovativ und fördert die Inklusion – dies ist auch mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel von Bedeutung. Denn beim Jobcarving kann es sowohl darum gehen, langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten, als auch neue Fachkräfte oder Auszubildende zu gewinnen.

Jobcarving – Beispiele aus der Praxis

Bei den allermeisten Berufen gibt es Tätigkeiten, die den Arbeitsfluss des Fachpersonals stören, die immer wieder liegen bleiben, die sich stark wiederholen oder auch Tätigkeiten, die nicht die Qualifikation des Fachpersonals voraussetzen. Eben jene Tätigkeiten können durch Jobcarving ausgelagert bzw. neu strukturiert werden, um Fachkräfte zu entlasten und z. B. für Menschen mit einer Behinderung Stellen zu schaffen, die ihren Fähigkeiten entsprechen. Tätigkeitsbeispiele können in diesem Zusammenhang sein: Archivierung und Pflege von Daten oder Vorbereitung von Unterlagen oder Meetings etc. Jobcarving.

Unsere Referentin Andrea Seeger, Geschäftsführerin von Access - Inklusion im Arbeitsleben gGmbH (Access), betont in unserem Q 4.0 Talk: „Wir denken in Tätigkeiten, statt in Berufen“. Es geht darum, die Schnittmenge zwischen den individuellen Fähigkeiten und den betrieblichen Anforderungen zu finden. Jobcoaches bzw. Inklusionsberaterinnen und Inklusionsberater übernehmen dabei, so Andrea Seeger weiter, eine wichtige Steuerungsfunktion im Prozess der Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Sie berichtet von der erfolgreichen beruflichen Inklusion einer Bistrohilfe in einer Großbäckerei. Diese übernimmt zunächst Tätigkeiten wie beispielsweise das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine, das Abwischen und Desinfizieren der Tische oder das Aufbacken von Teiglingen. Inzwischen ist sie seit 7 Jahren als Bistrohilfe angestellt und erhielt 2022 durch die Industrie- und Handelskammer ein Zertifikat, welches bestätigt, dass ihre Berufskompetenzen gleichwertig mit einem Berufsabschluss zur Fachkraft im Gastgewerbe sind. 

Sie sind als Arbeitgeber offen für die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung, haben aber keine Erfahrung und viele Fragen? Dann unterstützen in ganz Deutschland die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber [EAA]. Die EAA sind bundesweit installierte Anlaufstellen für Arbeitgeber, die Informationen, Beratung und Unterstützung zu allen Fragen rund um die Beschäftigung und Ausbildung von Menschen mit Schwerbehinderung bieten. Sie beraten zu den spezifischen Fördermöglichkeiten und helfen bei der Kontaktaufnahme zu den richtigen Stellen vor Ort. Das Angebot der EAA ist für Arbeitgeber kostenlos. 

Yücel Akdeniz, EAA-Fachberater in Hessen, berichtet in unserem Q 4.0 Talk von einem erfolgreichen Beispiel aus der Baubranche. In diesem haben sich Arbeitgeber und potentieller Arbeitnehmer zunächst über ein Praktikum kennengelernt, aus dem im weiteren Verlauf eine passgenaue Arbeitsstelle entstanden ist. Eine Win-Win-Situation also für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Zudem weist Yücel Akdeniz darauf hin, dass schwerbehinderte Menschen vielfach motiviert und gut qualifiziert sind. Für Unternehmen sind diese Menschen also ein Potenzial. Ein weiterer Tipp von Yücel Akdeniz: Die sogenannte „Fachpraktikerausbildung". Diese orientiert sich an den Ausbildungsinhalten anerkannter Ausbildungsberufe, der Theorie-Anteil ist jedoch geringer, weshalb sie oft auch als „theoriereduzierte Ausbildung“ bezeichnet wird. Die Fachpraktikerausbildung ist in unterschiedlichen Berufen möglich, darunter zum Beispiel in der IT-Systemintegration oder der Metalltechnik. 
 

Fazit: Jobcarving als zukunftsweisendes Konzept

Jobcarving: Eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Fachkräfte können sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, während Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrer Fähigkeiten arbeiten und gesellschaftliche Teilhabe erfahren. Zudem bietet Jobcarving auch finanzielle Vorteile für Unternehmen, etwa durch finanzielle Fördermöglichkeiten und Wegfall der Ausgleichsabgabe. 

Jobcarving ist ein zukunftsweisendes Konzept, das die gesellschaftliche und berufliche Inklusion von Menschen fördert, für die die Teilhabe am Arbeitsleben eine Herausforderung darstellt. Gleichzeitig kann Jobcarving die Effizienz in Unternehmen steigern, Fachpersonal entlasten und bietet Unternehmen nicht zuletzt finanzielle Vorteile. Indem Aufgaben neu gedacht und an die Fähigkeiten der einzelnen Personen angepasst werden, kann ein Arbeitsumfeld entstehen, das einerseits Vielfalt und Inklusion schafft und andererseits zur Fachkräftegewinnung und- sicherung beiträgt.

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