13. März 2023
Etwa 80 Prozent der hauptamtlichen Ausbilderinnen und Ausbilder beschäftigen sich mittlerweile intensiv mit der Digitalisierung der Ausbildung. Im Interview erläutert IW-Bildungsexpertin Paula Risius die Kernergebnisse der aktuellen NETZWERK Q 4.0 Studie zur Lern- und Lehrkultur 4.0.
Was sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen NETZWERK Q 4.0 Studie?
Ein zentrales Ergebnis ist, dass man in der Ausbildung 4.0 anders lernt als in „klassischen“ Ausbildungsarrangements. Ausbilderinnen und Ausbilder, die viele digitale Kompetenzen vermitteln, nutzen oft modernere Lernformen.
Dazu gehört zum Beispiel Reversed Mentoring, also der Rollentausch, bei dem Azubis ihr Wissen weitergeben. Lehrende und Lernen begegnen sich dabei auf gleicher Augenhöhe. Was ich auch spannend finde, ist, dass sich die Ausbilderinnen und Ausbilder grundsätzlich gut für die kommenden Aufgaben gerüstet fühlen – auch, wenn sie wissen, dass Weiterbildung dafür notwendig sein wird.
Was hat dich am meisten überrascht?
Wo wir gerade von Weiterbildung sprechen: Was ich großartig finde – mich aber tatsächlich auch etwas überrascht –, ist die hohe Weiterbildungsbereitschaft der Befragten: 95 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder hatten letztes Jahr den Wunsch, sich weiterzubilden.
Das zeigt, dass für die Befragten lebenslanges Lernen selbstverständlich ist, sie sehen den Bedarf und nehmen die Aufgabe, sich weiterzubilden, an. Man muss aber auch sehen, dass wir vielleicht eine sehr bildungsaffine Stichprobe haben, die ggf. nicht repräsentativ für die Gesamtheit aller Ausbilderinnen und Ausbilder steht.
In welchen Bereichen sehen Ausbilder:innen den größten Weiterbildungsbedarf?
Die Ausbilderinnen und Ausbilder äußern in unterschiedlichen Bereichen Weiterbildungsbedarf – in Abhängigkeit davon, wie weit sie schon digital ausbilden: Wer noch eher am Anfang steht, für den ist erst einmal entscheidend, sich das nötige Fachwissen anzueignen – also beispielsweise den Umgang mit Software oder neuen Technologien.
Bei Ausbilderinnen und Ausbildern, die sich im Mittelfeld bewegen, streuen die Bedarfe ziemlich breit. Auch für sie ist das Fachwissen noch wichtig – ähnlich relevant ist aber der Umgang mit unterschiedlichen Voraussetzungen der Azubis, allgemeine Weiterbildungen zu Didaktik und Lernmedieneinsatz, aber auch Fachdidaktik.
Bei Ausbilderinnen und Ausbildern, die bereits sehr viele digitale Kompetenzen vermitteln, steht die Fachdidaktik – also die Art und Weise, wie man diese Kompetenzen noch zielführender vermitteln kann – im Mittelpunkt.
Welche digitalen Kompetenzen werden in Ausbildung sehr intensiv vermittelt?
In unserer Befragung wurde erhoben, inwieweit Ausbilderinnen und Ausbilder ihre Auszubildenden auf einige der Anforderungen der digitalen Arbeitswelt vorbereiten. Kompetenzen wie Kommunikation, kritisches Hinterfragen und das eigenständige Lösen von Problemen werden immer wichtiger. So vermitteln etwa drei Viertel der Beschäftigten diese Kompetenzen intensiv, ein gutes Fünftel der Befragten sogar sehr intensiv.
Mit geeigneten Methoden können Ausbilderinnen und Ausbilder ihre Auszubildenden dabei unterstützen, auch im späteren Arbeitsalltag Aufgaben zu lösen, die über das in der Ausbildung Vermittelte hinausgehen.
Was macht für dich die perfekte Berufsausbildung aus?
Diese Frage finde ich schwierig zu beantworten – jeder Betrieb ist anders, arbeitet anders, nutzt unterschiedliche Technologien. Für manche Betriebe bieten sich bestimmte Lernformen an, für andere hingegen passen sie gar nicht. Zu einer guten Berufsausbildung gehört in meinen Augen auf jeden Fall, dass Ausbilderinnen und Ausbilder den Azubis auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Sie sollten den jungen Menschen nicht nur Fachkompetenzen vermitteln, sondern auch, wie sie über den Tellerrand schauen können und wie sie in ihrem weiteren Berufsleben immer am Ball bleiben können. Da gehen Ausbilderinnen und Ausbilder mit gutem Beispiel voran, indem sie selbst auch ihre eigenen Kenntnisse immer wieder hinterfragen und den alten Spruch „man lernt nie aus“ wörtlich nehmen, neugierig und offen bleiben.
Was ist die Basis der Studie? Wen habt ihr befragt?
Für die Studie haben wir 674 Ausbilderinnen und Ausbilder aus ganz Deutschland befragt. Unsere Online-Befragung fand von Februar bis Mai 2022 statt. Die Projektpartnerinnen und -partner haben dabei unterstützt, den Fragebogen möglichst breit zu streuen und so viele Befragungspersonen wie möglich zu gewinnen.