28. März 2023
Erst Digitalisierung und jetzt auch noch Nachhaltigkeit? Durch die Verankerung von Nachhaltigkeit in den Standardberufsbildpositionen hält das Thema zunehmend Einzug in den Ausbildungsalltag und stellt damit weitere Anforderungen an das Berufsbildungspersonal und Auszubildende. Und nicht nur dort: Der Begriff der Nachhaltigkeit hat in letzter Zeit enormen Aufschwung erfahren und gehört mittlerweile in jedes gut bestückte Sprachrepertoire. Aber mal Hand aufs Herz: Ist das tatsächlich etwas Neues?
Das Schlagwort Sustainability - in letzter Zeit spürbar mehr im Deutschen als Nachhaltigkeit verwendet - begleitet uns bereits seit den letzten Jahrzehnten. Nachhaltige Geldanlagen, nachhaltig produzierte Textilien, Lebensmittel und Co. beeinflussen uns mehr oder weniger in Kauf- und Anlageentscheidungen. Und vielleicht auch weil dies so ist, begegnet uns dieser Schlüsselbegriff heutzutage auch in der Werbung immer häufiger.
Blick zurück
Aber was steckt eigentlich genau dahinter? Nachhaltige Entwicklung bedeutet insbesondere ökologische, soziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte als gleichberechtigt zu betrachten. Blickt man historisch einmal zurück, so wurde bereits im 18. Jahrhundert vor dem Hintergrund des wachsenden Holzbedarfs im Bergbau Nachhaltigkeit als Grundsatz in der deutschen Fortwirtschaft formuliert.
Es lassen sich sicherlich viele weitere Beispiele bis in antike Kulturen finden, die für nachhaltiges Handeln und Wirtschaften stehen und der Maxime dienten, der Natur nicht mehr zu entnehmen als nachwachsen kann. Wenn es im Prinzip also darum geht, mit lebensnotwendigen, gemeinschaftlichen Ressourcen so umzugehen, dass sowohl die Bedürfnisse der eigenen Generation befriedigt als auch Nachfolgende eine (über-) lebenswerte Welt vorfinden: Müsste das dann nicht seit jeher eine Selbstverständlichkeit sein? (Warum) Müssen wir nachhaltiges Handeln und Wirtschaften heute wieder lernen und in die Bildungspläne nachfolgender Generationen aufnehmen? Wie kann das sein?
Eigentlich ist es doch gar nicht so lange her: In den Generationen der (Ur-) Großeltern war der sparsame Umgang mit Ressourcen und Gegenständen noch an der Tagesordnung. Licht brennen lassen, wo man sich gerade nicht aufhält? Unvorstellbar. Socken wurden gestopft, mit aufgefangenem Kochwasser die Blumen gegossen, zum Einkaufen ging man schon immer mit Netzen und Beuteln und funktionsfähige Geräte wegzuwerfen war ein No Go.
Und irgendwann erleichterten immer mehr kleine Helferlein den Alltag, der Produktlebenszyklus wurde immer kürzer, man kaufte Dinge, die man nicht wirklich brauchte und Strom kam halt‘ aus der Steckdose.
Ökologische und ökonomische Ziele im Spannungsfeld
Wenn also in vielen Bereichen das Wirtschaften auf Wachstum ausgelegt war und ist und sich damit zu einem gewissen Grad der Wohlstand begründete: Wie sollen Ausbilder:innen das Thema jetzt „richten“? Müssen da nicht zunächst viele strategische und geschäftspolitische Veränderungen auf Leitungsebene angestoßen werden?
Und wie soll das gehen, wenn sich ökologische und ökonomische Ziele unternehmensintern diametral gegenüberstehen? Wie können dann in der Ausbildung Lernsituationen gestaltet werden, die diese Widersprüche aufgreifen und in einen konstruktiven Diskurs überleiten? Auch hier zeigt sich wieder: Statt unterweisendem Lehren ist es essentiell, Auszubildende zu selbständigem Handeln und Lösungsorientierung zu befähigen.
Einen Beitrag leistet das NETZWERK Q 4.0 bei der Unterstützung von Ausbilder:innen, wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit als Lernbegleitende digital zu vermitteln und damit Aspekte der Standardberufsbildpositionen in den Ausbildungsalltag integrieren zu können.
Mehr als ein Modewort!
Aber auch einen Impuls zu setzen, dass das Thema viel mehr ist, als ein Greenwashing-update to go. Daher können in den Trainings auch keine abschließenden Lösungen präsentiert werden, sondern nur Anregungen, damit Berufsausbildende unternehmensspezifische Lösungen für ihren Ausbildungsalltag individuell entwickeln und somit nachhaltig am Ball bleiben können.
Und apropos nachhaltig: Vielleicht tut es gut, das Wort Nachhaltigkeit manchmal etwas bewusster einzusetzen, sich klar zu machen, dass es gefühlt vielleicht ein zwar jüngeres Wort ist, aber für ein uraltes Kulturgut steht: Denn das Thema ist zu ernst, als dass es ein Schlagwort wird, was sich zunehmend abnutzt und irgendwann in der Sparte „Bullshit Bingo“ verkommt!
Und deshalb auch gerade bei diesem Thema der Appell: (Generationsübergreifend) Einander zuhören, sich austauschen, andere Meinungen aushalten und voneinander lernen – so entsteht die Chance, dass im Rahmen des Kommunizierens auch – sorry: nachhaltig - etwas bewegt wird!