1. Juni 2023

­­­­­­­­­­­­­­­­­­Adaptive Learning, Skill-Based-Learning, Multi-Channel-Learning, VR/AR/XR und natürlich Künstliche Intelligenz. Das waren meine Trendthemen auf der diesjährigen Learntec in Karlsruhe.

Ein Tag auf der Learntec

Los ging es für mich aber bereits am Montag mit der siebenstündigen Anreise aus Kiel. Hier ein Kompliment an die Bahn, es hat alles reibungslos funktioniert und ich bin wie geplant pünktlich um 18 Uhr in Karlsruhe angekommen. Dann bin ich also zum Hotel (zum Glück in Bahnhofsnähe), schnell einchecken und anschließend etwas Essen gehen.

Nach dem langen Reisetag und mit dem Wissen, dass für den nächsten Tag viel auf dem Programm stand, hieß es dann früh schlafen gehen. Richtig los ging es also am Dienstag. Dass die Messe gut besucht sein würde, lies sich direkt bei der Ankunft mit dem Messeexpress am Messe-Center erkennen, es hatten sich schon lange Schlangen vor den Eingängen gebildet.  Die Wartezeit war aber dank guter und reibungsloser Organisation nicht lang und mein erster Besuch auf der Learntec konnte starten.

Keynote: E-Learning zur Digitalisierung der Bildung

Passend zum 30-jährigen Jubiläum fing mein Besuch mit einer Keynote zum Thema „In 30 Jahren vom E-Learning zur Digitalisierung der Bildung“ an. Prof. Dr.  Jörg Desel warf einen Blick zurück und teilte die vergangenen 30 Jahre digitale Bildung in vier verschiedene Epochen ein. In den 90er-Jahren begann alles mit dem Aufbau unterschiedlicher Systeme zum computergestützten Lernen.

Die 2000er wurden von der Erstellung von Content zur Nutzung dieser Systeme geprägt. Nachdem damit die Grundlagen geschaffen waren, um digitales Lernen zu ermöglichen, sollte die darauffolgende Zeit der 2010er bis heute eher von Fragen der Nutzung der digitalen Bildung geprägt werden. Das große Thema der Jahre war die Bildungsgerechtigkeit und wie die digitale Bildung hier helfen könnte.  Das große Thema der, noch frühen, 2020er-Jahre ist die Frage nach der Rolle des digitalen Lernens bei der Qualifikation und der interdisziplinären Ausbildung.

Welche Rolle kann die digitale Bildung also bei der Fort- und Weiterbildung, bei der Ausbildung und beim lebenslangen Lernen spielen? Laut Desel ist genau diese Frage die Frage unserer Zeit. Es ließen sich einige Antworten auf diese und weitere Fragen bei den mehr als 420 erwarteten Ausstellenden finden…

Guided Tour: Digitalisierung der beruflichen Bildung

420 Ausstellende, drei Messehallen und nur ein Tag Zeit? Wie soll man das nur schaffen? Vermutlich gar nicht! Aber wo anfangen? Dementsprechend erschlagen war ich dann auch, als ich nach dem Vortrag erstmal auf mich allein gestellt war.

Zum Glück hatte ich eine der vielen angebotenen Guided Tours gebucht. Neben Stopps und Kurzvorträgen bei sechs Ausstellenden wurden wir in der Tour zum Thema Digitalisierung der beruflichen Bildung noch auf verschiedene Bereiche in den Hallen hingewiesen, wie zum Beispiel die VR/AR-Area und den Startup-Bereich. Was sich wie ein leises Flüstern unter der Oberfläche durch die Messehallen zog, war auf alle Fälle der Begriff KI.

Adaptives Lernen mit KI

Mit dieser kleinen Einführung und einigen interessanten Inputs war die Orientierung dann deutlich einfacher. Das erste Thema, das mir auf der Guided Tour begegnete, sollte mich den ganzen Tag über begleiten und mich auch in einem meiner vorab bereits geplanten Termine am Nachmittag wieder einholen: Adaptives Lernen oder Adaptive Learning,also auf den Lernenden, seine Bedürfnisse und sein Wissen zugeschnittenes Lernen. Grundsätzlich ein Ansatz, der in der Pädagogik schon lange bekannt ist und sich hier an das Konzept der Differenzierung anschließt.

Im digitalen Lernen sind hier schon lange unterschiedliche Möglichkeiten bekannt, etwa durch die Möglichkeit verschiedene Lernwege in LMS-Systemen zu erstellen. Was das Ganze hier dann neu gemacht hat, ist die Verknüpfung mit dem omnipräsenten Thema KI. Hierdurch wird es möglich, die KI die Lernwege der einzelnen Lernenden in Echtzeit zu aktualisieren und an deren Wissen und Bedürfnisse anzupassen. Somit entstehen für jeden Lernenden einzigartige, an seine oder ihre Bedürfnisse angepasste Lernerfahrungen.

Die dem System zugrundeliegende Künstliche Intelligenz entscheidet dabei, welche Lernressourcen der oder die Lernende benötigt. Doch das ist längst nicht alles: Auch bei der Erstellung und Verbesserung der einzelnen Lerneinheiten unterstützt die KI, etwa in den Systemeigenen Autorentools verschiedener Hersteller.

Durch diese Technik soll das kompetenzorientierte Lernen unterstützt werden, womit sich der Kreis zur eingangs erwähnten Keynote schließt: Adaptives Lernen als eine Technik, um die Qualifizierung und Fortbildung zu verbessern, indem sie speziell auf die Anforderungen der einzelnen Lernenden zugeschnitten werden.

Skill-Based-Learning und Microskills

Womit wir auch schon beim nächsten großen Thema wären: Kompetenzbasiertes Lernen beziehungsweise Skill-Based-Learning. Der Kompetenzbegriff wurde laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung schon in den 70er Jahren in Deutschland diskutiert. Spätestens mit der Debatte um einen Europäischen und einen Deutschen Qualifikationsrahmen fand das Thema Eingang in die breite Debatte rund um die berufliche Bildung.

Neu ist hier hingegen das Thema Microskills und natürlich die Unterstützung des Lernens durch verschiedene digitale Hilfsmittel, wie Apps und andere Lernsysteme, die verschiedene Anbieter:innen vorgestellt haben. Und auch hier soll KI wieder der nächste Schritt zum erfolgreichen Lernen sein. Die Lernenden sollen sich nicht mehr selbst aussuchen, welche Skills sie lernen wollen, sondern ein Algorithmus bestimmt nach unterschiedlichen Kategorien, welche Skills zum Profil oder den Entwicklungszielen der oder des Lernenden passen.

Das hat den Vorteil, dass so auch Kompetenzen Trainiert werden, auf die die Lernenden von selbst nicht gekommen wären. Insgesamt zeigt sich somit ein Schritt zu, durch KI unterstütztem, stark granularem Lernen, bei dem die Lernenden die jeweils für ihre Weiterentwicklung wichtigen Skills und Kompetenzen in passenden Häppchen vermittelt bekommen.

Multi-Channel-Learning mit der Technologie LTI 1.3

Doch auch im Bereich der „klassischen“ E-Learnings tut sich einiges. Hier gibt es eine Bewegung hin zum sogenannten Multi-Channel-Learning, also dem Lernen aus verschiedenen Kanälen. Die Technologie, die das ganze praktikabel machen soll heißt LTI 1.3. Sie ermöglicht es, die Inhalte verschiedener Kanäle in einer Lernumgebung zu vereinen, indem sie sicherstellt, dass auf an anderen Orten gehostete Lerninhalte zugegriffen werden kann.

Ein Vortragender verglich dies mit der Streamingrevolution für das Filme sehen. In diesem Zusammenhang forderte er ein Ende der Nutzung von SCORM, welches diese Funktionalität nicht unterstützt. Das Ziel soll also sein, Lerninhalte quasi streambar zu machen. So soll es möglich werden, Inhalte verschiedener Anbieter:innen einfach einzubinden und auf einer Plattform zur Verfügung zu stellen, ohne Zip-Dateien austauschen zu müssen, um diese dann im eigenen LMS hochzuladen.

Mit der neuen Technik haben die Herstellenden von Lerninhalten die Möglichkeit, Kund:innen im Abo einfachen Zugriff auf ihre Lerninhalte anzubieten, ohne dass sich die Nutzer:innen dafür auf einem neuen System anmelden und einarbeiten müssen. Alle Inhalte können ganz bequem in die eigene Lernumgebung integriert werden, um somit den Workflow für die Nutzer:innen weiter zu vereinfachen.

Ob sich der Markt hier ähnlich entwickelt wie beim Videostreaming, wo die zunehmende Zersplitterung der Anbietenden vielen Nutzer:innen negativ aufstößt, bleibt abzuwarten. Die grundsätzliche Technik und die angestrebte Einfachheit können hingegen positiv bewertet werden. Ob man SCORM wirklich abschaffen sollte, halte ich hingegen für fragwürdig. Vielmehr ist eine genaue Analyse der eigenen Anforderungen nötig, um abwägen zu können, welche der beiden Technologien die passende für die eigenen Bedürfnisse ist.

VR-gestützte Weiterbildung

Auch das Thema VR/AR/XR war auf der Learntec reichlich vertreten und hatte sogar einen eigenen Bereich mit Bühne. Hier stellten unterschiedlichste Anbietende verschiedenste Möglichkeiten der VR-gestützten Weiterbildung vor.

Thematisch ging es dabei vom Erste-Hilfe-Kurs über die Feuerwehr bis hin zum Schweißen. Für mich besonders interessant waren die Anbieter:innen von Autorentools, die stetig daran arbeiten, die Erstellung von VR-Szenarien einfacher zu gestalten und es somit auch Laien zu ermöglichen.

Die Basis bilden hier oft die Spiele Engines Unity oder die Unreal Engine. Durch diese Entwicklung sollte es in Zukunft hoffentlich deutlich preiswerter und einfacher werden, passend zugeschnittene VR- oder AR-Szenarien für die berufliche Bildung zu entwickeln.

So hätten beispielsweise interessierte Ausbilder:innen hoffentlich bald die Möglichkeit, ohne großes Vorwissen ihre eigenen VR-Lernszenarien für die Azubis zu entwickeln.

Tipp und Fazit

Zum Ende möchte ich nochmal besonders auf den Startup-Bereich hinweisen, wo sich viele Unternehmen mit tollen neuen Ideen präsentiert haben, etwa zu den Themen Nachhaltigkeit oder der Unterstützung beim Lernen von Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache in der Ausbildung.

Das waren meine Highlights der 30ten Learntec. Wie bereits erwähnt, kann das bei über 420 angemeldeten Ausstellenden und nur einem Messetag Zeit natürlich nur ein kleiner, sehr subjektiver Einblick gewesen sein. In diesem Sinne hoffe ich, dass ich beim nächsten Mal zumindest einen Teil der tollen Themen und Ausstellenden, die ich dieses Mal verpasst habe, für mich entdecken kann.

 

Copyright Fotos: 

Headerbild: Messe Karlsruhe/ Lars Behrendt

Bildergalerie: Jascha Bürki

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