13. Juli 2023

ChatGPT und andere Chatbots werden bereits von über der Hälfte der deutschen Schüler:innen genutzt. Tendenz steigend. Die Nutzung scheint einfach, aber generierte Antworten können durchaus falsch sein. Gerade hier stellt sich für Ausbilder:innen die Frage, wie sie in der Ausbildungspraxis dieser mediendidaktischen Herausforderung begegnen. Chatbots sind schließlich ganz neue Lernmedien. Wo und wie genau ansetzen?

Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass die genaue Funktionsweise von Chatbots nicht immer transparent ist. Deshalb wurde im NETZWERK Q 4.0 in MV-Schwerin ein Didaktik-Modell für die Ausbildungspraxis entwickelt. Es heißt „Graue-Box-Modell der Chatbot-Didaktik“. Im Kern steht der Chatbot als Lernmedium, der aufgrund seiner Intransparenz als „Graue-Box“ bezeichnet wird.

Makrodidaktik: Gewusst Wo?

Wenn Ausbilder:innen Chatbots in der Ausbildungspraxis 4.0 einsetzen möchten, dann stellt sich zunächst die Frage: Wo ist es besonders sinnvoll? Ein Blick in die „modernisierten Standardberufsbildpositionen anerkannter Ausbildungsberufe“ kann hier helfen.

Unter dem Abschnitt „digitalisiere Arbeitswelt“ sollen beispielsweise die Risiken bei der Nutzung von digitalen Medien und informationstechnischen Systemen eingeschätzt werden. Weitere Anhaltspunkte können die jeweiligen Ausbildungsordnungen oder Ausbildungsrahmenpläne bieten, um geeignete Ausbildungsinhalte zu identifizieren.

In der Fachsprache wird diese Ebene „Makrodidaktik“ genannt. Sie umfasst die Planung des Lehrplans, die Festlegung der Lernziele, die Auswahl und Strukturierung des Unterrichtsinhalts sowie die Bestimmung der Unterrichtsmethoden und -medien.

Mikrodidaktik - Gewusst Wie!

Die Mikrodidaktik hingegen bezieht sich auf die detaillierte Ebene des stattfindenden Unterrichts. Mit anderen Worten ist dies die konkrete Handlungs- bzw. Lernsituation in der Ausbildung. Wie kann hier ein Chatbot klug eingesetzt werden?

An dieser Stelle lohnt sich der vertiefende Blick in den Kreislauf beim „Graue-Box Modell der Chatbot-Didaktik“. Vier Ansatzpunkte für handlungspraktisches Üben am Fachinhalt können genutzt werden:

  1. Durch Fragen lernen (Input) 
    Es ist zunächst ganz grundsätzlich wichtig, dass Ausbilder:innen und Auszubildende wissen, welche Fragen sie ChatGPT stellen dürfen oder sollen. Es sollten keine Fragen gestellt werden, die gegen Firmenregeln, Datenschutz oder andere Gesetze verstoßen, oder aus ethischen Gründen nicht angebracht sind. Wenn Fragen zu einem spezifischen Fachinhalt gestellt werden, dann müssten Ausbilder:innen in der Vorbereitung abschätzen können, ob ein Chatbot wirklich die richtige Antwort geben kann. Bei sehr tiefgehenden Fragen steigt das Risiko einer falschen Antwort. 

  2. KI-Prozesse erahnen (Throughput)
    Der Anspruch KI-Prozesse zu verstehen ist für den Laien unrealistisch. ChatGPT und ähnliche Chatbots sind wie "graue Boxen". Man kennt nicht alle Details zu den Algorithmen und Einstellungen. 
    Die genauen Lernprozesse in den großen neuronalen Netzen sind sogar den Entwicklern nicht vollständig bekannt. Es ist trotzdem wichtig eine Intuition für die KI-Verarbeitung zu entwickeln. So sollten Ausbilder:innen und Auszubildende wissen, dass KI-Anbieter wirtschaftliche Interessen haben und politisch beeinflusst sein könnten. 
    In den kommenden Jahren wird auch ein Rechtsrahmen in der EU gelten, der die Spielregeln für Anbieter:innen und Nutzer:innen von KI-Chatbots regeln wird. Je mehr Hintergrundwissen in diesem Ansatzpunkt vermittelt wird, desto mehr „Licht“ kommt ins Dunkle der „Grauen Box“ eines Chatbots.

  3. Antworten Interpretieren (Output)
    Es ist eine Herausforderung für Ausbilder:innen und Auszubildende, die Antworten von Chatbots richtig einzuschätzen. Die Antworten klingen oft logisch, sind aber nicht immer korrekt und manchmal zu allgemein. Ausbilder:innen und Auszubildende müssen über Fachwissen in einem bestimmten Bereich verfügen, um die Antworten bewerten zu können. Wenn man dieses Wissen hat, kann man von Chatbots wie ChatGPT lernen. 
    Hier bieten sich in der Ausbildung beispielsweise Diskussionen mit den Auszubildenden an, um die Ergebnisse gemeinsam zu besprechen. Ergänzende Quellenkunde kann ebenfalls sehr hilfreich sein. 

  4. Gute Fragen - gute Antworten (Feedbackloop)
    Ausbilder:innen und Auszubildende können die Antwortergebnisse verbessern, indem diese Chatbots auf Fehler hinweisen. Dadurch lernt der Chatbot. Je klarer und präziser Fragen gestellt werden, desto besser wird auch das Ergebnis. 
    Diese Kunst des Fragenstellens ist übrigens nicht nur bei Chatbots relevant, sondern generell im Berufsleben. Im Chatbot-Kontext wird von „Promptengeneering“ gesprochen, weil das Eingabefenster „Prompt“ heißt.

Didaktik-Ebenen verbinden

Bilanzierend können Ausbilder:innen Chatbots als Lernmedien einsetzen und ausgewählte Fachthemen gezielt vermitteln. Es geht dabei in der Regel um die Kombination von zwei Didaktik- Ebenen. Mikrodidaktisch geht es um das konkrete Arbeiten mit Chatbots als Lernmedium in einer konkreten beruflichen Handlungssituation.

Zentral sind hier die vier Ansatzpunkte, die im „Graue-Box-Modell der Chatbot-Didaktik“ angesprochen werden. Ganz nach dem Motto „Gewusst Wie!“ Verbunden ist aber auch die Frage, wo der konkrete Chatboteinsatz besonders sinnvoll ist. Dies lenkt den Blick beispielsweise auf die in den Ausbildungsordnungen festgelegten zu vermittelnden Fachinhalte (Makrodidaktik).

Chatbot-Lernen im Modell der vollständigen Handlung integrieren

Als Unterrichtsmethode wird makrodidaktisch das Modell der vollständigen Handlung in der Ausbildung empfohlen. Hierbei können Ansatzpunkte „Graue-Box-Modell der Chatbot-Didaktik“ berücksichtigt werden. Einen Überblick über die Phasen des Modells der vollständigen Handlung mit Beispielen aus der Betriebselektronik und den damit zusammenhängenden Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT ermöglicht folgende Tabelle.

Tabelle wurde mit Hilfe von ChatGPT erstellt und vom Autor überarbeitet.

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