23.10.2025

„Schon wieder 50 Folien …“. Anna sitzt im ersten Lehrjahr ihrer Ausbildung und kämpft sich durch eine Präsentation ihres Ausbilders. Zahlreiche Zahlen, Fachbegriffe und Prozessabläufe folgen aufeinander, doch kaum etwas bleibt hängen. Ihre Motivation sinkt. Einige Tage später darf sie denselben Prozess selbst durchführen – unterstützt durch ein kurzes Lernvideo und eine strukturierte Checkliste. Plötzlich ergibt alles einen Zusammenhang: Theorie und Praxis greifen ineinander, das Wissen wird erlebbar und Lernen macht wieder Freude. Dieses Beispiel zeigt: Lernen in der Ausbildung entfaltet seine Wirkung vor allem dann, wenn es abwechslungsreich gestaltet ist und mehrere Sinne anspricht. Denn nicht alle Auszubildenden lernen auf die gleiche Weise – und unser Gehirn behält Informationen besser, wenn sie über verschiedene Wahrnehmungskanäle vermittelt werden.

Lerntypen – Orientierung statt Schubladendenken

Sie kennen bestimmt das Modell der sogenannten Lerntypen. Es unterscheidet zwischen verschiedenen bevorzugten Lernkanälen:

  • Visueller Lerntyp: lernt besonders gut über Bilder, Grafiken und Videos.

  • Auditiver Lerntyp: profitiert vom Zuhören, Erklären und Diskutieren.

  • Haptisch-motorischer Lerntyp: versteht Inhalte durch eigenes Ausprobieren und Bewegung.

  • Kommunikativer Lerntyp: lernt am besten im Austausch mit anderen.

Diese Einteilung kann helfen, Lernangebote vielfältig zu gestalten. Allerdings warnen aktuelle Studien davor, Menschen ausschließlich eines festen Lerntyps zuzuordnen. Eine systematische Analyse von Coffield et al. (2004) zeigt, dass die sogenannte „Lerntypentheorie“ zwar Orientierung bieten kann, jedoch kein starres Kategoriensystem sein sollte. Methodenvielfalt – also das bewusste Kombinieren verschiedener Lernwege – erzielt den größten Lernerfolg.

Lernende profitieren dann am meisten, wenn sie dieselben Inhalte auf unterschiedliche Weisen erleben können.

Doppelt hält besser: Die Theorie der dualen Kodierung

Der kanadische Psychologe Allan Paivio (1971) entwickelte die Theorie der dualen Kodierung, nach der Informationen im Gedächtnis besser behalten werden, wenn sie über zwei Kanäle aufgenommen werden – den sprachlichen und den bildlichen.

Wenn Lernende also beispielsweise einen technischen Ablauf lesen und gleichzeitig in einer Grafik oder einem Video sehen, entstehen zwei Gedächtnisspuren, die sich gegenseitig verstärken.

Praktische Implikation: In der Ausbildung sollten Informationen stets multimodal vermittelt werden. Eine mündliche Erklärung kann durch ein Schaubild, ein Video oder eine praktische Demonstration ergänzt werden. So bleibt das Gelernte nicht nur besser im Gedächtnis, sondern wird auch leichter auf neue Situationen übertragen.

Lernen als Kreislauf: Das Erfahrungslernmodell von David Kolb

Ein weiterer zentraler Ansatz für die Gestaltung abwechslungsreicher Lernprozesse stammt von David A. Kolb (1984). Sein Erfahrungslernmodell beschreibt Lernen als einen zyklischen Prozess aus vier aufeinander aufbauenden Phasen:

  1. Konkrete Erfahrung: Lernende erleben eine Situation oder führen eine Tätigkeit aus – etwa ein Fallbeispiel oder eine praktische Übung.

  2. Reflektierende Beobachtung: Anschließend reflektieren sie, was passiert ist, und tauschen ihre Eindrücke aus.

  3. Abstrakte Begriffsbildung: Die gemachten Erfahrungen werden theoretisch eingeordnet, zum Beispiel durch Modelle, Präsentationen oder Fachgespräche.

  4. Aktives Ausprobieren: Das neue Wissen wird in einer neuen Aufgabe oder Projektsituation angewendet.

Durch das wiederholte Durchlaufen dieses Zyklus entsteht ein vertieftes Verständnis. In der Ausbildung bedeutet das: Lernen sollte nicht nur aus Zuhören oder Lesen bestehen, sondern aus einer Abfolge von Erleben, Nachdenken, Verstehen und Ausprobieren. 

Warum Abwechslung wirkt und Azubis motiviert

Abwechslungsreiche Lernmethoden sprechen verschiedene Sinneskanäle und Denkprozesse an – und genau das macht sie so wirkungsvoll. Mehrere psychologische und neurodidaktische Studien belegen die Vorteile:

  • Mehr Sinne – bessere Erinnerung: Inhalte, die visuell, auditiv und motorisch vermittelt werden, aktivieren verschiedene Hirnareale und werden dadurch stabiler gespeichert.

  • Methodenvielfalt – höhere Motivation: Unterschiedliche Lernformen verhindern Monotonie und fördern Neugier sowie intrinsische Motivation.

  • Praxisnähe – direktes Anwenden: Wenn Lernende Erlerntes unmittelbar umsetzen können, entsteht eine tiefere Verankerung im Langzeitgedächtnis.

Das bedeutet: Abwechslung ist kein Selbstzweck, sondern fördert nachweislich Konzentration, Verständnis und Nachhaltigkeit des Lernens. Azubis, die sich verstanden und gefordert fühlen, zeigen ein höheres Engagement und bleiben motiviert.

Praxisideen für einen wirkungsvollen Methodenmix Ihrer Ausbildung

  1. Digitale Medien nutzen: Lernvideos, interaktive Quizformate, digitale Karteikarten oder Lernplattformen fördern aktives und ortsunabhängiges Lernen.

  2. Praktische Übungen einbinden: Lernstationen, Werkstattaufgaben, Simulationen oder Rollenspiele ermöglichen handlungsorientiertes Lernen.

  3. Reflexion fördern: Regelmäßige Feedbackgespräche, Lerntagebücher oder kurze Reflexionsrunden unterstützen das Bewusstmachen von Lernerfolgen.

  4. Storytelling einsetzen: Fallbeispiele und authentische Geschichten aus dem Berufsalltag schaffen emotionale Bezüge und erhöhen die Behaltensleistung.

  5. Methodenmix planen: Eine Kombination aus Inputphasen, Gruppenarbeit, Praxisprojekten und digitalen Tools sorgt für Abwechslung und Beteiligung.

Fazit: Lernen lebendig gestalten

Lernprozesse werden dann erfolgreich, wenn sie mit Kopf, Herz und Praxisbezug gestaltet sind. Abwechslungsreiche Methoden sprechen unterschiedliche Wahrnehmungskanäle an, verknüpfen Theorie und Praxis und fördern eigenständiges Denken.

Wer Wissen über verschiedene Wege erfahrbar macht, schafft Motivation, Verständnis und nachhaltigen Lernerfolg. Für Ihre Ausbildung bedeutet das: Nicht ein Lernstil ist der richtige – sondern die bewusste Vielfalt macht den Unterschied.

Probieren Sie in Ihrer nächsten Unterweisung gezielt einen Methodenmix aus. Beobachten Sie, wie Ihre Auszubildenden aktiver mitarbeiten, Fragen stellen und Freude am Lernen entwickeln.

Weiterbildungen und Beiträge zum Thema

Quellen

  • Coffield, F., Moseley, D., Hall, E., & Ecclestone, K. (2004). Learning styles and pedagogy in post-16 learning: A systematic and critical review. Learning and Skills Research Centre.

  • Paivio, A. (1971). Imagery and Verbal Processes. New York: Holt, Rinehart & Winston.

  • Kolb, D. A. (1984). Experiential Learning: Experience as the Source of Learning and Development. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall.

  • Renkl, A. (2020). Lernen verstehen: Ein kognitionspsychologischer Überblick. Berlin: Springer.

  • Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). (2022). Methodenvielfalt in der Ausbildung. Bonn.

  • Spitzer, M. (2012). Lernen: Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.