02.09.2025
Die Vielfalt junger Menschen zeigt sich nicht nur in ihren Talenten, Interessen und Lebensentwürfen, sondern auch in ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität. In vielen Ausbildungsbetrieben ist das Thema Queerness jedoch bislang kaum präsent – dabei betrifft es längst den Alltag: Auszubildende, die sich outen, junge Menschen in Transition oder Bewerber:innen, die sich nicht in klassische Schubladen einordnen lassen, bringen neue Fragen und Herausforderungen mit sich. Wie kann ein wertschätzender Umgang gelingen – auch wenn Unsicherheit oder wenig Erfahrung im Team vorhanden sind? Und welche Rolle spielt die Haltung der Ausbilderinnen und Ausbilder dabei? Im Interview mit der Vorständin Fabienne Kündgen von Queerbeet Augsburg e. V. sprechen wir über die Erfahrungen queerer Jugendlicher in der Ausbildung, über konkrete Stolpersteine im Alltag – und darüber, wie Ausbildungspersonal junge Menschen kompetent und respektvoll begleiten kann.
Warum ist es euch ein Anliegen, dass auch Ausbilder:innen für LGBTQ+ Themen sensibilisiert werden?
Fabienne: Junge Menschen erleben ihr Coming-out oft während ihrer Ausbildungszeit. In dieser Phase ist ein unterstützendes Umfeld entscheidend, weshalb auch Ausbilder:innen Kenntnisse über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt haben sollten. Der Verein Queerbeet Augsburg e.V. engagiert sich intensiv für junge LGBTQ+-Personen, bietet u. a. eine Jugendgruppe und Beratung für Trans+-Menschen an und legt besonderen Wert auf Aufklärung sowie den Abbau von Vorurteilen.
Welche spezifischen Herausforderungen siehst du für LGBTQ+ Auszubildende in der Ausbildung? Hast du Beispiele für Diskriminierung oder Vorurteile, mit denen sie häufig konfrontiert werden?
Fabienne: Zunächst mal treffen LGBTQ+ Jugendliche dieselben Herausforderung wie alle Jugendliche in dieser Zeit. Der Übergang von der Schulzeit ins Arbeitsleben, die Entscheidung welchen Beruf man ergreifen möchte, die Entwicklung der Persönlichkeit, das erwachsen werden ... all das fordert bereits viel von jungen Menschen.
Jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie sich zeitgleich auch noch damit beschäftigen, ob Sie sich mit dem Ihnen bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht identifizieren können oder das Sie sich Hals über Kopf in einen gleichgeschlechtlichen Partner verliebt haben und das Ihr Leben, das Sie bislang vor Augen hatten, völlig verändert. Dass Sie nicht wissen, wie ihre Eltern und ihr Freundeskreis darauf reagieren werden und vielleicht das Gefühl haben, dass es niemandem sonst so geht wie Ihnen. In diesen Situationen fühlt man sich oft nicht verstanden, traut sich nicht, sich an jemanden zu wenden und zieht sich zurück.
Geht man den Schritt sich in der Arbeit/Ausbildung zu outen, werden die Ängste, die man hatte, manchmal leider zur Realität. Man wird anders behandelt, es werden einem Fragen gestellt, die man einer hetero-cis Person nie stellen würde.
Schwulen Männern wird die Durchsetzungskraft abgesprochen, Trans+-Männern die körperliche Kraft harte Arbeit zu verrichten, lesbischen Frauen wird das Einfühlungsvermögen abgesprochen… Generell alles was mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie zu tun hat, können queere Menschen nicht nachvollziehen.
Dies sind einige Vorurteile mit denen Personen aus der queeren Community zu kämpfen haben.
Was glaubst du, welche Schwierigkeiten könnten Ausbilderinnen und Ausbilder bei der Gestaltung einer inklusiven Ausbildungsumgebung für LGBTQ+ Jugendliche haben?
Fabienne: Schwierigkeiten, die sich für Ausbilder:innen ergeben können, die eine inklusive Umgebung schaffen wollen, sehe ich vor allem auf Seite der Kolleg:innen oder des Managements. Hier wird man oftmals auf Unverständnis stoßen, warum man sich denn "darüber" überhaupt einen Kopf machen soll. Vielleicht unter dem Vorwand, dass "sowas" hier ja ohnehin nicht vorkomme oder auch, dass das Privatsache sei, die mit der Arbeit bzw. Ausbildung nichts zu tun habe. Ich glaube also, leider ist die größte Herausforderung darzustellen, warum ein LGBTQ+ inklusives Ausbildungs- bzw. Arbeitumfeld positiv und wichtig ist und sich langfristig positiv auf das Unternehmen als Ganzes auswirken kann.
Was wären die wichtigsten ersten Schritte, die Ausbilderinnen und Ausbilder in ihrem Betrieb unternehmen können, um LGBTQ+ Inklusion zu fördern?
Fabienne: Der erste Schritt ist denkbar einfach: Schaffen Sie Sichtbarkeit! Heben Sie geschlechtliche und sexuell-romantische Vielfalt aus der Unsichtbarkeit heraus. Zeigen Sie durch Ihr Verhalten, Ihre Sprache und durch kleine Zeichen (z.B. einen Sticker mit Regenbogenfahne an der Bürotür), dass Sie offen für diese Themen sind. Machen Sie damit Lehrlingen (und auch Kolleg:innen) das Angebot auf Sie zukommen zu können, drängen Sie diese aber nicht dazu.
Vereinsprofil Queerbeet Augsburg e. V.:
Der Verein Queerbeet Augsburg ist eine Jugendgruppe für schwule, lesbische, bisexuelle, trans* und alle anderen queeren Menschen von 14 bis 27 Jahren in Augsburg und Umgebung. Sie treffen sich zu regelmäßigen Gruppenabenden und bieten Outingbegleitung, Trans*-Beratung, Workshop-Projekte sowie Beratung von Erziehungsberechtigten und Fachpersonal an. Kontakt.