In Vorbereitung auf die kostenfreien Ideen-Workshops für Ausbilderinnen und Ausbilder führen unsere Projektpartner im NETZWERK Q 4.0 Interviews mit Ausbildenden und Personalverantwortlichen durch. So können Bedürfnisse, Herausforderungen und die Gefühlslage der Ausbilderinnen und Ausbilder erforscht werden. Doch nicht immer ist ein persönliches Treffen möglich – aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Corona-Zeit entfielen diese sogar ganz. Eine digitale Interviewführung durch Skype oder Teams ermöglicht eine zeitlich und räumlich flexible Kommunikation. Dieser Vorteil kann auch für die Interviewführung genutzt werden.
Anne von Moers, Referentin im Netzwerk Q 4.0 im Bildungswerk der Nordrhein-Westfälischen Wirtschaft e. V., berichtet von ihren Erfahrungen und gibt Tipps, wie die Interviewführung fernab räumlicher Grenzen erfolgreich gelingt.
Die Möglichkeit des digitalen Interviews hat uns in der aktuellen Lage sehr geholfen. Der aktuell beschleunigte Digitalisierungsprozess hat auch unser Klientel offener gegenüber digitalen Treffen gemacht. Wir haben festgestellt, dass digitale Interviews sehr spannend, informativ und bewegend sein können – fast wie vor Ort. Sie können aber auch, bedingt durch die digitalen, technischen Rahmenbedingungen, schleppend laufen. Technische Probleme auszuhalten und Alternativen zu finden, gehören dazu. Ein gelungenes Interview lebt nicht nur vom Thema, es erfordert von uns auch Empathie, eine strukturierte Fragetechnik und eine gute Rhetorik.
Wie bereiten wir ein gutes digitales Interview vor? Wie können wir brisante Informationen oder wahre Emotionen aus unserem Gegenüber herauskitzeln? Diese Fragen haben wir uns direkt zu Beginn gestellt. Mit den gesammelten Erfahrungen haben wir unser Vorgehen dann Stück für Stück angepasst und verbessert. Ein Lerneffekt war zum Beispiel, offene Fragen zu stellen und dem Gegenüber Zeit zu geben, d.h. auf Interviewer-Seite auch Stille aushalten und abwarten zu können.
Zu den größten Herausforderungen eines digitalen Interviews zählte bei uns die Technik bzw. die technische Umsetzung, wobei auch hier gilt: Übung macht den Meister!
Die Technik kann bei jedem Interview versagen: Der Teilnehmer kommt beispielsweise nicht in den digitalen Besprechungsraum oder das Mikrofon funktioniert nicht. Es lohnt sich, auf solche Notfälle vorbereitet zu sein. Ein kleiner Tipp: Telefonnummer immer zur Hand haben, falls die Technik gar nicht mitspielen will. So kann das Interview trotzdem telefonisch stattfinden oder ein neuer Termin ausgemacht werden. Dennoch gilt, immer die Ruhe zu bewahren. Wir alle lernen dazu. Auch für unsere Interviewpartner stellt ein digitales Interview möglicherweise eine Herausforderung bzw. Hemmschwelle dar.
Auch die geringere Aufmerksamkeitsspanne bei digitalen Formaten sollte nicht außer Acht gelassen werden. Wir haben dies bei der Vorbereitung berücksichtigt und unseren Interviewleitfaden an einigen Stellen gekürzt oder Fragen kombiniert.
Für uns war der größte Unterschied der fehlende Einblick in den direkten Arbeitsalltag eines Ausbilders. Interviews, die vor Ort, in den Unternehmen oder in Ausbildungslehrwerkstätten stattfinden, helfen dem Interviewer sich noch besser, in die Lage und Perspektive der Zielgruppe zu versetzen.
Ein weiterer Unterschied zu Interviews vor Ort ist die wegfallende Anfahrtszeit zu den Interviewpartnern. Beide Interviewseiten können sich ortsunabhängig zu einem digitalen Interview einschalten. Dennoch haben wir den Zeitaufwand für das geplante digitale Interview großzügig geplant und auch genügend Zeit für eventuelle technische Schwierigkeiten eingerechnet. Allerdings sollte der Zeitrahmen nicht zu groß gefasst werden, da die Interviewten sich extra Zeit während der Arbeitszeit nehmen. Hier galt es, einen guten Mittelweg zu finden. Wir haben meist einen zweistündigen Termin angelegt, um genügend Puffer zu haben. Dies schien auch für die Ausbilderinnen und Ausbilder angemessen.
Ebenso wie bei Präsenzinterviews gibt es auch bei virtuellen Interviews Momente des Schweigens, in denen nichts gesagt wird. Solche Momente scheinen im digitalen Format noch länger und „unangenehmer“ zu wirken. Doch hier heißt es dann wohl: Augen zu und durch. Meist sind es nur wenige Sekunden, doch diese können entscheidend sein und es folgen noch wichtige Aussagen des Interviewpartners.
Kurzgefasst: Eine starke Internetleitung, eine funktionierende Kamera, ein gutes Mikrofon sowie Geduld und Gelassenheit, wenn die Technik nicht sofort funktioniert. Offenheit für das Gegenüber und der Versuch das Interview nicht zu sehr lenken zu wollen, sind ebenfalls essenziell.
Das technische Equipment stellt neben der inhaltlichen Vorbereitung die Grundlage eines digitalen Interviews dar. Hierzu ist es hilfreich, wenn das Bild scharf und kontrastreich ist und nicht dunkel bzw. überbelichtet oder verpixelt. Die Kamera sollte optimal eingestellt werden. Auch das virtuelle Interview sollte auf Augenhöhe stattfinden, d.h. der Gesprächspartner sollte nicht aufschauen oder hinabblicken müssen. Es ist auch kein Problem, den Interviewpartner auf mögliche Fehleinstellungen hinzuweisen und gemeinsam zu justieren. Das kann als Einstieg sogar hilfreich sein, um sich kennenzulernen und sich ein wenig aufeinander „einzugrooven“. Die Mimik und Reaktion des Gegenübers zu sehen, war sowohl für uns als auch für die Interviewpartner von großer Bedeutung und erzeugte so ein wenig „Nähe“.
Nähe kann und sollte insbesondere bei digitalen Interviews verstärkt erzeugt werden, da der persönliche Kontakt vor Ort fehlt. Wir haben versucht, dies beispielsweise durch Augenkontakt und das Signalisieren von Aufmerksamkeit zu erzeugen. Es ist zu Beginn ungewohnt, in eine Kamera zu schauen und keine direkte gut sichtbare Reaktion vom Gegenüber zu bekommen. Ein kleiner Tipp: Kleine Post-its mit Notizen neben die Kamera kleben, so hat man alles im Blick und es scheint, als würde man in die Kamera und somit den Interviewpartner anschauen. Auch eine offene Körperhaltung (aufrecht sitzen, mit Händen artikulieren) kann unterstützend wirken.
Auch ein Small Talk vor der ersten Frage lockert die Stimmung und schafft eine positive Ausgangssituation. Natürlich ist Vorbereitung hier alles: Wenn man sich vorab gut über das Unternehmen und auch den Werdegang des Gegenübers informiert hat, fällt der Einstieg leichter.
Das Interview kann im besten Fall – mit Einverständnis des Interviewpartners – aufgezeichnet werden. Dann sind kurze Notizen zwischendurch ausreichend sind und ansonsten verbleibt der Blick auf den Bildschirm und damit auf den Interviewpartner.
Die digitalen Interviews waren sowohl für uns als auch für unsere Interviewpartner eine zunächst ungewohnte Situation. Doch eine gute Vorbereitung hilft, Sicherheit und Selbstbewusstsein im Online-Auftritt zu schaffen. Auch wenn der persönliche Kontakt und der Eindruck vor Ort, in den Arbeitsalltag der Ausbilderinnen und Ausbilder, fehlen, ist das digitale Interview eine gute Möglichkeit zur ersten Kontaktaufnahme und um ein Gespür für die Zielgruppe und deren Bedürfnisse zu erhalten. Wir freuen uns schon auf die Besuche vor Ort in den Unternehmen, nutzen jedoch auch gerne weiterhin die digitalen Gespräche, da so schnell und flexibel Rückmeldungen eingefangen werden können.