13. August 2024

Agilität meint die Fähigkeit, sich flexibel und schnell an Veränderungen anzupassen. Gerade die Ausbildungspraxis steht unter permanentem Anpassungsdruck und deshalb kann das Konzept der Agilität hier sehr hilfreich sein. Erfahren Sie hier, wie kleine Schritte und regelmäßiges Feedback die Motivation und das Verständnis der Auszubildenden steigern. 

Erfolg der kleinen Schritte

Der Begriff „Agilität“ stammt aus der Softwareentwicklung und umfasst einfache Prozesse und Methoden. Schrittweise wird im Team an einem definierten Produkt so lange gemeinsam gearbeitet, bis das Endprodukt fertig ist. Auf Veränderungen kann deshalb zügig reagiert werden.

Falls Auszubildende kein „klassischen Produkt“ entwickeln, dann bietet sich das Erarbeiten eines komplexen Lerninhaltes als so genanntes Lernprodukt an. Letztlich sollen Auszubildende kontinuierlich und in kleinen, handhabbaren Portionen arbeiten oder lernen. Dies erleichtert gleichzeitig das Verständnis und auch die Verinnerlichung komplexer Thematiken. Durch die regelmäßigen, kleinen Erfolge bleibt die Motivation hoch. Auszubildende sehen schneller die Ergebnisse ihrer Arbeit, was sie zusätzlich anspornt und zufriedenstellt. 

Kontinuierliches Feedback

Durch das schrittweise Vorgehen entstehen fortlaufend Zwischenprodukte, die evaluiert werden. So können Fehlentwicklungen oder neue Anforderungen erkannt werden. Aber nicht nur die Zwischenprodukte stehen im Fokus, sondern auch die Art und Weise, wie zusammengearbeitet wurde. Ziel ist es, effizienter zu arbeiten und bessere Ergebnisse zu erzielen. Auszubildende profitieren davon, in einem unterstützenden Umfeld zu arbeiten, in dem Wissen und Erfahrungen regelmäßig ausgetauscht werden.

Transparenz durch einfache und klare Prozesse

Agilität funktioniert nur, wenn alle Beteiligten wissen, was wann wo wie geschieht. Diese Transparenz wird in einem immer gleichbleibenden Prozess hergestellt. Der Prozess ändert sich in seiner Struktur nicht. Damit wird die Komplexität der Zusammenarbeit massiv reduziert, weil systematisch immer gleich vorgegangen wird: 

  1. Gemeinsame Projektplanung: Das Team, einschließlich der Auszubildenden, trifft sich zu Beginn eines Projekts, um Ziele, Anforderungen und Aufgaben zu besprechen. Jeder versteht die Erwartungen und den Umfang des Projekts. Beispiel: Auszubildende werden mit der Planung und Installation einer neuen elektrischen Anlage in einem Bürogebäude beauftragt und erarbeiten einen klaren Plan und Ziele. 

  2. Regelmäßige kurze Treffen: Jeden Morgen gibt es ein kurzes Treffen (Daily Stand-up Meeting), bei dem alle Teammitglieder ihre Fortschritte, Hindernisse und Pläne teilen. Die Auszubildenden sind aktiv dabei, berichten über ihre Aufgaben und erhalten direktes Feedback. Beispiel: Die Auszubildenden berichten über den Fortschritt beim Verlegen von Kabeln und erhalten Ratschläge zur Optimierung der Verkabelungstechnik. 

  3. Aufgabenorganisation: Alle Aufgaben werden in einem transparenten Tool wie einem Kanban-Board verwaltet. Dadurch sehen die Auszubildenden, welche Aufgaben anstehen, in Bearbeitung sind oder abgeschlossen wurden. Transparent können Sie so ihre eigenen Aufgaben nachverfolgen. Beispiel: Auszubildende sehen, dass Sie in der nächsten Woche die Schalttafel installieren und testen müssen und planen entsprechend. 

  4. Feedback zum Produktstand: Am Ende jeder Woche gibt es ein so genanntes „Review-Meeting“, bei dem die Ergebnisse präsentiert werden. Azubis zeigen ihre Arbeiten, erhalten konstruktives Feedback und sehen, wie ihre Beiträge zum Gesamtprojekt passen. Beispiel: Auszubildende präsentieren die fertig installierte Verkabelung. Danach gibt das Team Feedback sowie Verbesserungsvorschläge. 

  5. Feedback zur Zusammenarbeit: Das Team trifft sich nach dem „Review-Meeting“ zur so genannten „Retrospektive“, um zu besprechen, was gut lief und was verbessert werden kann. Auszubildende sind eingeladen, ihre Erfahrungen und Ideen zu teilen, was zur Prozessoptimierung beiträgt. Beispiel: Ein Auszubildender teilt mit, dass die Unterstützung beim Testen der Anlage verbessert werden könnte, und das Team plant zusätzliche Schulungen und Ressourcen. 

  6. Dokumentation und Wissenstransfer: Alle wichtigen Entscheidungen, Prozesse und Erkenntnisse werden dokumentiert und sind für alle Teammitglieder zugänglich. Auszubildende können jederzeit auf diese Informationen zugreifen und von den Erfahrungen des Teams lernen. Beispiel: Auszubildende dokumentiert den Installations- und Testprozess der elektrischen Anlage für zukünftige Projekte und Auszubildende. 

Agilität als Arbeitsmethode einsetzen

Agilität bietet viele Vorteile in der Ausbildung, vor allem in dynamischen, projektorientierten und interdisziplinären Bereichen. In der Projektarbeit können Azubis in kleinen Schritten arbeiten, regelmäßig Feedback erhalten und schnell auf Änderungen reagieren. Agiles Lernen fördert zudem die Fähigkeit, kreative Lösungen zu entwickeln. In stark regulierten Prozessen, routinemäßigen Aufgaben und bei der Vermittlung grundlegender Theorie sind traditionelle Methoden jedoch sinnvoller. 

EinsatzbereichSinnvollWeniger sinnvoll
ProjektarbeitAzubi-Team plant und installiert eine ganz neue elektrische Anlage in einem Musterraum.Langfristige Projekte mit wenig Flexibilität
Interdisziplinäre ZusammenarbeitElektronik-Azubi arbeitet mit IT-Azubis zusammen, um eine smarte Gebäudeautomation zu entwickeln.Aufgaben mit wenig interdisziplinärer Interaktion
Problemlösung und InnovationAzubi entwickelt einen Werbeflyer um für seinen Ausbildungsberuf zu werben.Routineaufgaben ohne Bedarf an kreativen Lösungen
Kontinuierliche VerbesserungNach Abschluss eines Projekts wird in einer Retrospektive besprochen, was gut lief und was verbessert werden kann.Aufgaben ohne Möglichkeit für Feedback und Verbesserung
ProzesseFlexibler Umgang mit sich ändernden Anforderungen im Rahmen der VorschriftenPrüfung elektrischer Anlagen nach einer Norm wie z.B. DIN VDE 0100.
AufgabenWartung und Aktualisierung flexibler Systeme.Regelmäßiges Auswechseln von Standardkomponenten in Maschinen.
PlanungsprojekteKurzfristige, adaptive Projekte mit vielen Variablen.Bau und Installation einer komplexen Produktionsanlage, die über mehrere Jahre geplant und gebaut wird.
LernenPraktische, projektbasierte Lernphasen nach der Theorieeinführung.Grundlagenschulungen in Elektrotechnik, wie das Ohmsche Gesetz.

Agilität als Lernmethode einsetzen

Agilität kann auch ganz gezielt als Lernmethode in der Ausbildung eingewoben werden. Hierfür bieten sich verschiedene Ansätze oder auch Methoden an. 

EduScrum ist eine sehr umfassende und speziell für den Bildungsbereich angepasste Variante des so genannten Scrum-Ansatzes, die ursprünglich aus der Softwareentwicklung stammt. Dieser schlägt sehr detailliert einen agilen Prozess und passende agile Methoden vor. Er wurde entwickelt, um den Lernprozess zu verbessern, indem agile Methoden gezielt in einen projektorientierten Unterricht integriert werden.

Daneben gibt es sehr viele verschiedene agile Methoden, die als Elemente nach Bedarf in die Ausbildung integriert werden können, gerade dann, wenn es um gemeinsames kreatives Lernen geht. Beispiele sind das Lean Coffee, Community of Practice, Co­ding Dojo oder Desing-Thinking. 

Klassische Ausbildungsmethoden mit Agilität anreichern

Auch klassische Ausbildungsmethoden wie das Modell der vollständigen Handlung können mit agilen Elementen angereichert werden. So können Sie Agilität mit Auszubildenden einfach in den Arbeitsprozessen üben, die Sie bereits in ihrer Ausbildungspraxis verwenden. 

Schritt des ModellsAgiles ElementBeispiel
InformierenKurze, fokussierte Informationsphasen, um Informationen schnell auszutauschenAzubi informiert sich über Sicherheitsvorschriften und technische Spezifikationen in einem kurzen Meeting.
PlanenIterative und inkrementelle Planung; Nutzung von Kanban-Boards zur visuellen Darstellung und Überwachung des FortschrittsAzubi plant die Installation einer elektrischen Anlage, unterteilt die Arbeit in Aufgaben und visualisiert diese auf einem Kanban-Board.
EntscheidenSchnelle und flexible Entscheidungen; Anpassung basierend auf Feedback und neuen InformationenAzubi entscheidet über das Material für die Verkabelung und passt die Entscheidung bei Bedarf an.
AusführenAusführung in kurzen Schritten; regelmäßige Überprüfung des FortschrittsAzubi installiert schrittweise Teile einer elektrischen Anlage und überprüft nach jeder Phase die Funktionalität.
KontrollierenRegelmäßige Überprüfungen und Tests; Integration von Feedback-Schleifen für kontinuierliche VerbesserungenAzubi testet nach der Installation eines Teils der Anlage die Funktionalität und erhält Feedback zur Anpassung.
BewertenReflexion am Ende eines Projekts oder einer Aufgabe; Durchführung von Retrospektiven zur Identifizierung von Stärken und VerbesserungenAzubi führt nach Abschluss der Installation eine Retrospektive mit dem Ausbilder durch und dokumentiert Erkenntnisse.

Fazit: Mehr Agilität in der Ausbildung

Der Einsatz von agilen Lernmethoden in der Ausbildung ist aus mehreren Gründen sinnvoll. Zunächst fördert diese Herangehensweise die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Lernenden, da agile Methoden darauf abzielen, schnell auf Veränderungen und neue Anforderungen reagieren zu können. Dies bereitet die Auszubildenden nicht nur besser auf die dynamischen Herausforderungen des Arbeitsmarktes vor, sondern stärkt auch ihre Problemlösungsfähigkeiten und Kreativität.

Durch Elemente wie regelmäßige Feedbackschleifen und iterative Lernzyklen wird die Selbstverantwortung gefördert, was zu einer erhöhten Motivation und einem besseren Lernerfolg führt. Die Zusammenarbeit im Team, ein zentraler Bestandteil agiler Methoden, trägt zur Entwicklung von sozialen Kompetenzen bei und schult die Teamfähigkeit, die in vielen Berufen unerlässlich ist.

Agile Methoden tragen somit entscheidend dazu bei, die zukünftigen Fachkräfte optimal auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vorzubereiten.

Sie möchten Informationen zu Agilität in der Ausbildung erhalten, dann besuchen Sie unsere Veranstaltungen zum Thema. 

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