29. November 2023

In einer Welt, in der digitale Technologien das Bild der Berufswelt immer wieder neu zeichnen, steht die Aus- und Weiterbildung vor permanenten Herausforderungen. Ein Modell, das die Komplexität der digitalen Bildung greifbar macht und Orientierung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet, ist das Dagstuhl-Dreieck.

Dagstuhl-Dreieck: Der Kompass

Entstanden ist das Dreieck im Jahr 2016 auf einer interdisziplinären Bildungskonferenz auf Schloss Dagstuhl, Sitz des Leibniz-Zentrum für Informatik (LZI). Forscher:innen und Praktiker:innen erarbeiteten in diesem Zusammenhang zudem die so genannte Dagstuhl-Erklärung, die grundlegende „Empfehlungen für die Bildung in der digitalen vernetzten Welt“ festlegt und von über 30 Forscher:innen mit folgenden Forderungen unterzeichnet wurde. 

  1. Bildung in der digitalen vernetzten Welt (kurz: Digitale Bildung) muss aus technologischer, gesellschaftlich-kultureller und anwendungsbezogener Perspektive in den Blick genommen werden.

  2. Es muss ein eigenständiger Lernbereich eingerichtet werden, in dem die Aneignung der grundlegenden Konzepte und Kompetenzen für die Orientierung in der digitalen vernetzten Welt ermöglicht wird.

  3. Daneben ist es Aufgabe aller Fächer, fachliche Bezüge zur Digitalen Bildung zu integrieren.

  4. Digitale Bildung im eigenständigen Lernbereich sowie innerhalb der anderen Fächer muss kontinuierlich über alle Schulstufen für alle Schüler_innen im Sinne eines Spiralcurriulums erfolgen.

  5. Eine entsprechend fundierte Lehrerbildung in den Bezugswissenschaften Informatik und Medienbildung ist hierfür unerlässlich.

Perspektiven der digitalen Bildung

Folgende Perspektiven stehen allgemein beim Lernen mit neuen digitalen Technologien im Mittelpunkt:

1. Technologieverständnis – Das „Wie“ hinter den Kulissen

Das erste Standbein des Dagstuhl-Dreiecks ist das Technologieverständnis. Es ist unerlässlich, dass Auszubildende nicht nur Nutzer:innen digitaler Tools sind, sondern auch ein Verständnis der dahinterliegenden Technologien entwickeln.

2. Soziale Auswirkungen – Der Kontext unseres Handelns

Digitale Technologien sind kein isoliertes Phänomen. Sie beeinflussen, wie wir arbeiten, lernen und miteinander interagieren. Ausbilder:innen müssen daher auch auf die sozialen Auswirkungen eingehen. Wie verändern KI-Chatbots beispielsweise die Kundenkommunikation und damit den Kundenservice? Welche ethischen Fragen mit Blick auf Normen und Werte werfen sie auf? Hier werden Weichen gestellt, die bestimmen, wie verantwortungsvoll und reflektiert die Auszubildenden mit der KI-Technologie umgehen werden.

3. Konkretes Anwenden – Tools in Aktion

Der dritte Eckpfeiler ist die Anwendungskompetenz. Hier geht es darum, Technologien gezielt einzusetzen, um konkrete Aufgaben zu lösen. Dies betrifft nicht nur KI-Chatbots sondern auch andere neue digitale Technologien wie beispielsweise KI-Bildgeneratoren.

Chatbot-Einsatz vorbereiten

Stellen Sie sich vor, Sie wollen KI-Chatbots wie ChatGPT als Lernmedium in der Ausbildung 4.0 einsetzen. Mit dem Dagstuhl-Dreieck im Hinterkopf könnten Sie im ersten Schritt folgende zwei Ebenen betrachten:

  • Technologieverständnis: Erklären, wie ein Chatbot grob funktioniert und auf welcher Logik seine Antworten basieren.

  • Soziale Auswirkungen: Mit Auszubildenden diskutieren, wie der Einsatz mit Chatbots das Lernen in der Ausbildung verändern wird.

Chatbot einsetzen

Im zweiten Schritt geht es um den konkreten Chatbot-Einsatz in einer beruflichen Handlungssituation. Hilfreich ist hier das „Graue-Box-Modell der Chatbot-Didaktik“. Das Modell bietet einen roten Faden, wie ein Ausbildungsinhalt ausgewählt und mit einem Chatbot anschließend gelernt werden kann. Grundlage ist dabei immer das Wechselspiel eines Frage-Antwort-Dialogs mit dem Chatbot, der auch als Promptengineering bezeichnet wird.

Handlungsorientierung

Durch gezieltes Trainieren mit Chatbots lernen die Auszubildenden, wie Sie souverän im Umgang mit Chatbots werden und dies auch in andere berufliche Handlungssituationen übertragen können. Dies ist genau jene Handlungskompetenz, die das Berufsbildungsgesetz in Deutschland fordert und damit den Grundstein für lebenslanges Lernen legt.

Die Perspektiven des Dagstuhl-Dreiecks bereiten Auszubildende folglich nicht nur auf die technologischen, sondern auch auf die sozialen und anwendungsbezogenen Herausforderungen der digitalen Welt vor. In Kombination mit dem „Graue-Box-Modell der Chatbot-Didaktik“ entsteht so ein facettenreiches Bild, das die Lernenden dazu ermutigt, Technologien zu hinterfragen, ihre Auswirkungen zu reflektieren und sie kompetent einzusetzen.

Lernprozessbegleitung ist der Schlüssel zum Erfolg

Als Ausbilder:in übernehmen Sie die Lotsenfunktion und Lernprozessbegleitung in diesem Dreieck. In der Balance der genannten Perspektiven liegt der Schlüssel für eine Bildung, die junge Menschen nicht nur zu kompetenten, sondern auch zu reflektierten und verantwortungsvollen Bürger:innen in der digitalen Gesellschaft macht.

 

Zurück zur Übersicht