01.07.2024
Ob in der Start-Up Szene, im Konzern oder Mittelstand: das Buzzword New Work ist ein nicht mehr wegzudenkendes Attraktivitätsversprechen für viele Unternehmen. Was sich dahinter verbirgt, wie der Begriff mit Leben gefüllt werden kann und dass New Work mehr als Obstkorb und Tischkicker ist, beleuchtet dieser Artikel. Sie erhalten praktisches Hintergrundwissen sowie Tipps zur Umsetzung mit ihren Azubis auf Teamebene.
Ein Blick zurück
Um der Frage nach New Work auf den Grund zu gehen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Das Konzept New Work hat seinen Ursprung nämlich in den 1970er Jahren, als der Sozialphilosoph Fritjof Bergmann die Bedürfnisse der Mitarbeitenden stärker in den Fokus stellte.
Heute steht New Work für eine ganzheitliche und menschliche Unternehmenskultur, die sowohl die eigene Haltung, als auch Arbeitsstrukturen sowie Arbeitsweisen transformiert. Aber der Reihe nach. Warum erfährt New Work aktuell eine Renaissance? Warum möchten Unternehmen ihre Räume mit Obstkörben und Tischkickern ausstatten und reicht das WIRKLICH?
Relevanz: Das WHY
Wenn sich das Außen – also die Umwelt und die Gesellschaft, in der Unternehmen agieren – verändert, liegt es nahe, dass sich auch im Inneren der Unternehmen etwas ändern muss. Wie sieht „gutes Arbeiten“ in Zeiten von BANI (Akronym für brittle, anxious, non-linear, incomprehensible; also brüchig, ängstlich, nicht-linear und inkonsistent), Fachkräftemangel und demografischem Wandel aus? Vor allem die junge Generation der Auszubildenden stellt hier ganz neue Ansprüche an die Zusammenarbeit im Team und explizit an Führungskräfte, also auch Ausbilderinnen und Ausbilder.
Einige Unternehmen kommen daher schlicht zu der Erkenntnis: „Wir müssen etwas verändern“. Genau diese Erkenntnis, „So geht es nicht weiter“, hatte auch Fritjof Bergmann in den 1970er Jahren, als die halbe amerikanische Stadt Flint drohte aufgrund zunehmender Automatisierung entlassen zu werden. Die persönliche Entwicklung, Gesundheit und das Wohlbefinden von Mitarbeitenden spielten damals keine Rolle. So lag es nahe, die Mitarbeitenden zu entlassen und nicht umzuschulen, weiterzuentwickeln oder entsprechend ihrer Stärken einzusetzen. Dies wollte Bergmann nicht hinnehmen und gründete mit einem Netzwerk das Zentrum für Neue Arbeit.
Frithjof Bergmann ist Philosoph und Anthropologe und international bekannt als Begründer der New Work-Bewegung. 1930 in Sachsen geboren, flieht er während der NS-Zeit vor den Nazis nach Österreich und wandert vier Jahre nach Kriegsende in die USA aus. Dort arbeitet er u.a. als Tellerwäscher, Preisboxer, Hafenarbeiter, Theaterautor und später auf dem Land in der Selbstversorgung, bevor er sich der Philosophie zuwendet und mit ihr die Themen Freiheit und Arbeit zu seiner Lebensaufgabe macht.
Die Idee des Zentrums für Neue Arbeit bestand darin, dass alle Mitarbeitenden angestellt blieben, sich aber die Arbeiten aufteilen, um der Entlassungswelle auf der einen Seite und einer Überarbeitung der verbleibenden Belegschaft auf der anderen Seite vorzubeugen. In der Zeit, in der die eine Hälfte der Belegschaft nicht arbeitete, sollten sie sich am Zentrum für Neue Arbeit mit der Frage auseinandersetzen, was sie wirklich motiviert und was und wie sie wirklich arbeiten wollen.
Denn nur, wer seine Stärken und Kompetenzen kennt, kann letztlich auch motiviert und gesund arbeiten - ein Leben lang. Eine Win-Win-Situation sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber:innen. Dass Arbeitnehmer:innen zufriedener sein würden, wenn sie einer Arbeit nachgehen, die sie wirklich mögen, ist offensichtlich. Dass sich dies positiv auf die Produktivität auswirkt, überzeugte letztlich auch die Manager in Flint.
„Es geht uns um die Schaffung einer Gesellschaft und Kultur, in der wirklich jeder, Mann oder Frau, die Chance bekommt, einen beträchtlichen Teil seiner Arbeit mit einer Arbeit zu verbringen, die er oder sie erfüllend und faszinierend findet und die die Menschen aufbaut und ihnen mehr Kraft und Vitalität gibt“.
(Quelle: Fritjof Bergmann (2004). Neue Arbeit, neue Kultur. 5. Auflage, Arbor Verlag)
Übertragen auf die Ausbildung meint diese Erkenntnis aus den 70er Jahren, eine anregende, sinnstiftende und motivierende Lernumgebung zur Verfügung zu stellen.
Die Bedeutung: Das WHAT
Googelt man den Begriff „New Work“, wird man eine Menge Definitionen und vor allem Bilder mit tollen Raumkonzepten – Hängematten, Tischkickern, Rutschen und Co. – finden. Dabei beutet New Work weniger „Materielles“ als vielmehr eine neue, deutlich humanistisch ausgerichtete Haltung und Kultur, deren Ursprung sich in der Philosophie Bergmanns begründet. Es geht darum, den Menschen und seine Bedürfnisse innerhalb der Organisation zu fokussieren und ihm einen Rahmen zu bieten, in dem er sich entfalten und wachsen kann. Hier können Ausbilder:innen eine zentrale Schlüsselfunktion einnehmen und Auszubildende in ihrer Entwicklung stärken und begleiten.
Die Stellschrauben zur Gestaltung von New Work sind vielfältig (vgl. Abbildung 1). Die absolute Grundlage bildet jedoch ein humanistisches Menschenbild, das den Menschen und seine Grundbedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Es ist letztlich der Glaube daran, dass der Mensch frei, entscheidungsfähig, verantwortungsvoll ist und nach persönlicher Entfaltung strebt.
Der Transfer: Das HOW
Wie können Sie nun „New Work Spirit“ in Ihr Ausbildungsteam bringen? Es geht zunächst einmal nicht darum, New Work als großen Strategieprozess zu betreiben (obwohl das natürlich auch möglich ist ?). Vielmehr ist die Frage, was jede und jeder Einzelne tun kann, um eine „gute“ Kultur der Zusammenarbeit auf- und auszubauen. Und da ist wie so oft aller Anfang die eigene Haltung und das eigene Verhalten. Insbesondere Ausbilder:innen haben hier eine absolute Vorbildfunktion.
Im Alltag kann das bedeuten, sich selbst, aber auch den Azubis einige Fragen zu stellen.
Die folgenden Fragen sind eine erste Orientierung dafür.
Tipps :
Nehmen Sie sich Zeit für die Fragen und schaffen Sie eine positive Atmosphäre. Hier kann zum Beispiel ein Spaziergang in der Natur oder ein lockeres gemeinsames Kaffeetrinken mit Ihrem/Ihrer Auszubildenden förderlich sein.
Hören Sie Ihrem Azubi genau zu. Vermeiden Sie geschlossene oder Suggestivfragen und versuchen Sie, über Offene W-Fragen Ihre Azubis besser kennenzulernen.
Bewerten Sie die Aussagen Ihrer Azubis nicht. Versuchen Sie eine neutrale Haltung als Zuhörer:in einzunehmen.
Fazit
New Work ist aktuell in aller Munde und kann manchmal aufgeblasen als große Strategie daherkommen. Es kann aber auch im Kleinen stattfinden und trägt somit seine Wurzeln in einer menschenzentrierten Haltung, die dann weiter erwachsen kann. Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Umsetzung des New Work Ansatzes in Ihrem Ausbildungsalltag.
Sie möchten mehr erfahren und sich mit anderen Ausbilderinnen und Ausbildern austauschen? Wie wäre es mit diesen Angeboten aus dem NETZWERK Q 4.0?
Der Wandel des Lernens: Auf dem Weg zum New Learning
Training „Teamwork 4.0 in der Ausbildung"
Training „New Leadership: Als Ausbilder:in erfolgreich durch den digitalen Wandel führen“