Seit fast 20 Jahren ist in der Weiterbildungsbranche das Microlearning (erste Microlearning-Konferenz 2005, Innsbruck) bekannt. Kleine multimediale Lerneinheiten, die sich in wenigen Minuten absolvieren lassen, mischten das Online-Lernen auf. Nicht notwendiges Lehrpersonal, Zeit- und Ortsunabhängigkeit sowie geringere Kosten standen bei der Betrachtung im Vordergrund.
Durch die aktuelle Situation seit dem Frühjahr 2020 gewann der Trend nochmals an Dynamik. Weiterbildungsangebote als Serie – analog zu Netflix als on-Demand-Angebot – war die Vision von Angestellten und auch Führungskräften. Auch aus unserer Bedarfserhebung 2020/2021 und circa 20 Interviews mit Stakeholdern verschiedener Branchen ging diese Entwicklung hervor.
Zeit- und ortsunabhängig und nun auch auf allen Geräten, egal ob im Büro oder im mobilen Arbeiten. Technisch wurden diese Wünsche vollumfänglich erfüllt. Alles ist möglich. Oberflächlich betrachtet sind Microlearnings einfach zu erstellen. Auch aus Sicht der Konsumenten seien sie schnell umgesetzt. Ein Grund für uns auch die Hintergründe zu beleuchten und zu diskutieren. Organisation, methodisch-didaktische Herausforderungen sowie die technischen Themen der Pre- und Postproduktion sind nicht zu unterschätzen.
Auch aus unseren Beratungsgesprächen mit Ausbilderinnen und Ausbildern erhalten wir regelmäßig positives Feedback zu unseren Microlearning-Formaten. Doch sind diese kleinen Nuggets, auch wirklich Goldstücke und Alleskönner für die berufliche Weiterbildung? Die klügste Antwort lautet vermutlich: „Es kommt drauf an.“
Einer von vielen Diskussionspunkten ist der Zeitfaktor solcher digitalen Lerneinheiten. Einen festen Richtwert in der Literatur gibt es nicht, als grober Anhaltspunkt kann zwischen 5 bis 30 Minuten festgehalten werden. Wobei hier der Genauigkeit halber auch Methode, Medium, Zielgruppe, Verbreitungskanal und Lernziel differenziert beachtet werden müssten.
Auf den ersten Blick sind Micolearnings für Lernende ein Segen, da die Lerninhalte in kleine Häppchen, fürs Arbeitsgedächtnis effektiv, verpackt werden. Die Organisation freut sich über geringere Weiterbildungszeiten und die Schulungskosten der Mitarbeitenden sinken entsprechend. Im besten Fall kann man diese kleinen Nuggets häppchenweise dosieren und jedem Mitarbeitende „nur“ das zur Verfügung stellen, was er unbedingt für seine Aufgaben benötigt.
Die Produktion scheint auf den ersten Blick zielführender und kürzer zu sein, als bei längeren Trainings. Doch hier ist vor zu viel Euphorie zu warnen. In den meisten Fällen ist vermutlich genau das Gegenteil der Fall. Gute Microlearnings brauchen Konzepte und die Tücken liegen im Detail.
Die Umsetzung von Microlearnings erfordern mehr Kreativität, methodisch-didaktisches Know-how und Medienproduktionskenntnisse als klassische Trainings. Wortwahl und Visualisierung müssen punktgenau und unmissverständlich sein. Sie sind für den Lernerfolg entscheidend und sollten penibel genau durchdacht sein. Denn Eines darf nicht vergessen werden, Nachfragen, herkömmliche Übungen und Wiederholungen gibt es bei Microlearnings nicht.
Daher gilt: „Je kürzer ein Lehrformat, desto anspruchsvoller ist das dahinterstehende Konzept und umso bedeutender ist die Preproduktion.“ Eine große Herausforderung gegenwärtig in der Umsetzung sind die Stofffülle und inhaltliche Komplexität so zu reduzieren, dass sie in ein Microlearning stimmig passen. Auch bei unseren branchenübergreifenden Q 4.0 Trainings werden die Wissensdomänen der Ausbilderinnen und Ausbilder differenzierter und Lernvoraussetzungen individueller. Dies sind nur zwei Gründe warum Microlearnings keine Alleskönner sind.
Microlearnings werden vollumfängliche Qualifizierungsangebote, wie wir sie aktuell erarbeiten, nicht ersetzen können. Komplexe Themen erfordern angemessen umfangreiche Trainings und eine clevere Methodik, um Lernende an ein Thema mit Erfolg heranzuführen. Auch die didaktische Reduktion stößt mit steigender Komplexität an ihre Grenzen.
Microlearnings sind nur der erste Einstieg in ein neues Wissensfeld. Aus unserer Erfahrung eignen sich Microlearnings für Anleitungen und Themeneinführungen, wie eine Schulung von Ausbilderinnen und Ausbildern zu einem Tool oder einer intuitiven Software besonders gut und der entsprechende Nutzen ist immens.
Aber: Auch, wenn nur ein geringes Weiterbildungsbudget zur Verfügung steht, erfordern gut umgesetzte Microlearnings Investitionen. Investitionen im Sinne von Zeit, Fachkompetenz und Erfahrung. Doch auch das alles hilft nicht, wenn ein Gespür für methodisch attraktive Konzepte und eine punktgenaue Umsetzung fehlen. Denn am Ende gilt noch immer Eines: „Lernen muss Spaß machen.“