23.05.2025

In der Ausbildung übernehmen Sie eine Führungsrolle – Sie geben Orientierung, vermitteln Wissen, geben Feedback. Doch was passiert, wenn Ihre Vorstellung von Autorität nicht mit der Ihrer Auszubildenden übereinstimmt? In einer vielfältigen Gesellschaft treffen unterschiedliche kulturelle Prägungen aufeinander – auch, wenn es um Respekt, Hierarchie und den Umgang mit Vorgesetzten geht. Was für die eine Person eine selbstbewusste Rückmeldung ist, kann für die andere als respektlos empfunden werden – oder umgekehrt. Wie können Sie damit souverän umgehen? Dieser Beitrag gibt Einblicke, Hintergründe und konkrete Tipps.   

1. Was bedeutet „Autorität“ in unterschiedlichen Kulturen?

In vielen mitteleuropäischen Kontexten ist ein modernes Autoritätsverständnis verbreitet: flache Hierarchien, direkte Kommunikation, Beteiligung auf Augenhöhe. Ausbilderinnen und Ausbilder begleiten hier mehr beim Lernen und coachen Azubis.  

In anderen Kulturen – z. B. aus dem arabischen Raum, aus Teilen Asiens oder Afrikas – sind hierarchische Strukturen stärker verankert. Autoritätspersonen werden mit größerer Distanz und formellerem Respekt behandelt. Kritik wird indirekt geäußert oder vermieden, um niemanden „das Gesicht verlieren zu lassen“. 

Das kann zu Missverständnissen führen: 

  • Ein Azubi spricht Ausbilderinnen bzw. Ausbilder nicht aktiv an – wird als passiv wahrgenommen. 

  • Konstruktives Feedback an die Ausbilderin bzw. den Ausbilder wird vermieden – wirkt desinteressiert. 

  • Umgekehrt kann direkte Kritik durch die Ausbilderin bzw. den Ausbilder als herabwürdigend empfunden werden. 

2. Reflexion für Ausbilderinnen und Ausbilder: Wo stehe ich?

Bevor Sie an der Kommunikation mit anderen arbeiten, hilft ein Blick auf sich selbst: 

  • Wie erwarte ich, dass mir Respekt entgegengebracht wird? 

  • Wie gehe ich mit Widerspruch oder Zurückhaltung um? 

  • Was signalisiere ich durch meinen Ton, meine Körpersprache, meine Erwartungen? 

Oft machen wir unser Autoritätsverständnis nicht explizit – erwarten aber, dass andere es „automatisch“ verstehen. Das birgt Konfliktpotenzial. 

3. Tipps für den Umgang mit unterschiedlichen Autoritätsverständnissen

Tipp 1: Erklären Sie Ihre Rolle aktiv. Gerade zu Beginn der Ausbildung ist es hilfreich, klarzumachen: 

  • Wie verstehe ich meine Rolle als Ausbilderin bzw. Ausbilder? 

  • Was erwarte ich an Kommunikation und Beteiligung? 

  • Was bedeutet für mich gegenseitiger Respekt? 

So vermeiden Sie Missverständnisse und zeigen, dass Sie Offenheit und Klarheit schätzen. 

Tipp 2: Seien Sie sensibel für Zurückhaltung 

  • Wird eine Frage nicht beantwortet oder eine Aufgabe nicht hinterfragt, muss das kein Desinteresse bedeuten. Es kann kulturell bedingte Zurückhaltung sein. Schaffen Sie eine wertschätzende Atmosphäre, in der Nachfragen und Rückmeldungen ausdrücklich erwünscht sind. 

Tipp 3: Nutzen Sie „kulturell übersetzte“ Kommunikation 

  • Statt z. B. direkte Kritik in einer Gruppe zu äußern, nutzen Sie das Vier-Augen-Gespräch. Beginnen Sie mit einem positiven Aspekt, geben dann konkrete Hinweise zur Verbesserung („Sandwich-Methode“). So bewahren Sie den Respekt und vermeiden Gesichtsverlust. 

Tipp 4: Zeigen Sie echtes Interesse an der Perspektive der Auszubildenden. Fragen Sie nach: 

  • „Wie war das bei dir in der Schule oder in deiner Familie – wie ist man dort mit Lehrkräften oder Ausbilder:innen umgegangen?“ 
    Das öffnet das Gespräch, fördert Verständnis – und schafft Vertrauen. 

Tipp 5: Suchen Sie den Dialog, nicht die Konfrontation 

  • Statt „So läuft das hier!“ lieber: „Ich merke, dass wir hier unterschiedlich ticken – wie können wir gut zusammenarbeiten?“ Das signalisiert Offenheit, ohne die Führungsrolle aufzugeben. 

4. Ein Praxisbeispiel

Fall: Eine Auszubildende mit asiatischem Hintergrund spricht den Ausbilder bzw. die Ausbilderin nie direkt an, sondern wartet, bis sie angesprochen wird. Bei Gruppenaufgaben bleibt sie zurückhaltend. 

Reaktion A (ungünstig): „Sie ist immer so passiv – das nervt.“ 
Reaktion B (reflektiert): Der Ausbilder/die Ausbilderin spricht sie im Einzelgespräch an, erklärt seine Erwartungen und fragt, wie sie sich am wohlsten fühlt. In kleinen Schritten wird die Beteiligung gestärkt – mit Geduld und Wertschätzung. 

Fazit: Autorität neu denken – kulturell bewusst handeln

Sie vermitteln Wissen und bauen brücken. Der Umgang mit Hierarchie und Autorität ist kulturell geprägt – doch mit Empathie, Klarheit und Reflexion lassen sich Unterschiede produktiv nutzen statt als Hindernis zu erleben. Denn echte Autorität zeigt sich nicht in Macht, sondern in der Fähigkeit, Verständnis zu schaffen. 

 

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