Wir möchten auf unseren vergangenen Q 4.0 Talk zurückblicken. Diesmal drehte sich alles um die Frage „Wie können Lernortkooperationen zwischen Schule und Betrieb verbessert werden?“
Unsere Gäste Thomas Schley vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), Jörn Schelzig (Schulleiter/Geschäftsführer des RBZ-Technik in Kiel) und Matthias Reessing (Ausbildungsleiter der Drägerwerk AG & Co. KGaA) konnten auf wissenschaftlicher sowie persönlicher Ebene spannenden und hilfreichen Input für die Teilnehmenden liefern!
Zunächst gab Thomas Schley den 40 Teilnehmenden einen Einblick in die aktuelle Forschung. Seine empirische Bildungsforschung mit dem BMBF als Auftraggeber untersuchte die „Gelingensbedingungen und Potenziale der Lernortkooperation in Zeiten des digitalen Wandels“. Hierbei kam heraus sich, dass viele „analoge“ Erfolgsfaktoren der Lernortkooperation auch digital eine hohe Relevanz aufzeigten. Hierzu zählten in erster Linie das persönliche Engagement der beteiligten Personen, gegenseitige Wertschätzung der Arbeit, ausreichende zeitliche und personelle Ressourcen sowie die Passung der technischen Ausstattung.
Zudem machte Herr Schley deutlich, dass das Herz der Lernortkooperation die einzelnen Akteure und Akteurinnen seien, die ein solches Netzwerk erst mit Leben füllten!
Zusätzlich sind auch Beziehungen in der Lernortkooperation ein bedeutender Punkt: Verbindungen im Netzwerk durch (persönliche) Beziehungen können als Erfolgsfaktor gelten. Ebenso erforschte seine Projektgruppe, dass es die Vielfalt der Anlässe sowie operative Ziele und Inhalte seien, die eine Lernortkooperation nachhaltig fördern. Hierfür brauche es allerdings Ressourcen wie Finanzierung und Zeit, welche gegenwärtig oft noch ein Problem darstellten.
In diesem Zusammenhang gebe es einige Herausforderungen für technische Ressourcen, z.B. rund um die Themen Support, Datenschutz oder andere rechtliche Barrieren für einen gemeinsamen Zugriff unterschiedlicher Lernorte auf gemeinsame Lernmaterialen. Außerdem müssten die personellen Ressourcen betrachtet werden: Zeit, Qualifizierung und Kompetenzen des Berufsbildungspersonals spielen hier eine wichtige Rolle, ohne die Lernortkooperation nicht gelingen kann.
Trotz dieser Herausforderungen bietet die Lernortkooperation im Nachhinein viele Potenziale. An dieser Stelle sollten konkrete Gelingensbedingungen, wie beispielsweise die Qualifizierung des Berufsbildungspersonals (durch und für die Gestaltung der Lernortkooperation), die digitale Transformation der Lernortkooperation selbst sowie der Aufbau und die Weiterentwicklung von Koordinierungsstellen für komplexe Lernortkooperationsnetzwerke, erfolgen.
Nach dem Impulsvortrag gaben Jörn Schelzig und Matthias Reessing Einblicke in ihre bestehenden Lernortkooperationen. Sowohl die schulische als auch die betriebliche Perspektive auf Lernortkooperationen zeigten hierbei, dass Kommunikation die wohl wichtigste Rolle hierbei einnimmt. Herr Schelzig brachte es auf den Punkt: „Persönlicher Kontakt zwischen den Lehrkräften und dem Dualpartner sind ganz wesentlich.“ Und auch Matthias Reessing machte deutlich: „Das A & O für mich ist der kommunikative Aspekt zwischen Betrieb und Berufsschule, verbunden mit gegenseitigem Interesse, voneinander zu lernen und auch Einblicke zu gewähren.“
Prozesse, die sich positiv auf eine Lernortkooperation auswirken können, seien beispielsweise regelmäßige Treffen mit dem Ausbildungspersonal und die Zusammenarbeit mit Innungen beziehungsweise Kammern. Reessing betonte hierbei, dass auch den Lehrkräften die Fertigungsabläufe in den Betrieben gezeigt werden sollten: „Die Akzeptanz von den Schülerinnen und Schülern ist viel höher, wenn sie merken, welche Kompetenzen die Lehrkräfte mitbringen und sie auch die neusten Technologien kennenlernen.“
Auch das Thema Corona-Pandemie wurde angesprochen. Durch sie habe sich ein digitaler Schub ausgelöst, so Schelzig. Es wurde viel in Infrastruktur und digitalen Unterricht investiert. Das bedeute allerdings nicht, dass der Präsenzunterricht obsolet sei. Jedoch sollten in Zeiten des digitalen Wandels auch lernunterstützende Formate im digitalen System (Lernmanagement-Systeme und Videokonferenzen) ausgeführt werden. Bei den Drägerwerken hingegen wird durch diese Zeit vermehrt mit digitalen Berichtsheften gearbeitet. In diesem Zusammenhang appelliert Ausbildungsleiter Reessing: „Auch Lehrer und Lehrerinnen sollten Berichtshefte anschauen und entsprechendes Feedback geben!“.
Der Schulleiter wies außerdem darauf hin, dass die Begeisterung durch moderne Labore oder Werkstätten wächst: „Qualität in Berufsschule und Betrieb wird großgeschrieben. Das begeistert und spricht sich herum.“ Gerade in der heutigen Zeit, wo viele sich über Fachkräftemangel beklagen, sei die Lernortkooperation der Schlüssel der Zukunft, um die Attraktivität der Ausbildung noch weiter steigern zu können.
Reessing macht dabei auch auf die tägliche Herausforderung einer Lernortkooperation aufmerksam: „Ausbildende sind woanders, als sie es vor ein paar Jahren noch waren. Wir müssen Auszubildende nicht nur fachlich, sondern auch psychologisch betreuen.“ „Dafür haben wir auch multiprofessionelle Teams eingerichtet. Dazu zählen sozialpädagogische Kräfte, psychologische Kräfte und Coaches, um besonders herausfordernde Fälle in der Ausbildung zu unterstützen“, ergänzte Schelzig.
Zuletzt führte Thomas Schley an: „Die Lernortkooperation, wie man sie ausgestalten kann, ist total vielfältig.“ Die Frage sei hierbei, was die beteiligten Institutionen in der Ausgestaltung tun möchten. Er betont: „Alles ist zulässig!“ Man könne zum einen ein einfaches Netzwerk haben, wo man sich nur zu Anlässen informiert und keine gemeinsamen Szenarien gestaltet. Zum anderen gäbe es auch die Möglichkeit, dass man sich stets gegenseitig informiert und Bezug auf verschiedene Inhalte nehme: „Jeder kleine Schritt ist ein Schritt in die richtige Richtung.“
Zunächst bleibt die Frage offen, wie man diese Werte von Thomas Schley in die Praxis umsetzen kann. Matthias Reessing sagt dabei ehrlich: „Mir fehlt leider die Fantasie, wie man das tatsächlich in tieferen Ebenen umsetzen kann. Das muss in der Zukunft angegangen werden!“